DuS 100 Jahre Jubi-Buch

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 6 Heinz Scheidel, Vorsitzender der Geschäftsleitung VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, als ich zum ersten Mal von meinem Vater auf eine Baustelle mitge- nommen wurde, war das für mich vor allem ein großes Abenteuer: Die Lebhaftigkeit, die Leute, die Maschinen hatten es mir sofort angetan. Es war ein erster Funke, aus dem eine jahrzehntelange Begeisterung geworden ist. Auch wenn sich im Laufe der Jahre vieles verändert hat, ist diese frühe, kindliche Freude am Bauen und Aufbauen geblieben, die mich jeden Tag motiviert – und die wir in der Familie unser „Bau- Gen“ nennen. Zum 100-jährigen Jubiläum haben wir uns auf die Suche danach ge- macht, was uns als Diringer & Scheidel ausmacht und sind dabei im- mer wieder auf dieses „Bau-Gen“ gestoßen. Wir haben es entdeckt bei meinem Großvater Franz Anton Diringer, der in turbulenten Zeiten eine sichere Stelle aufgab, um sein eigenes Baugeschäft zu eröffnen. Aber wir haben es auch in all den folgenden Generationen immer wie- der gesehen – in den Familien Diringer und Scheidel genauso wie in unserem heutigen, größeren Familienverbund - auf Baustellen genau- so wie in Pflegeheimen, Hotels oder bei der Arbeit am Schreibtisch: Alle teilen den Stolz auf die eigene Arbeit und die Freude daran, mit- zugestalten und mehr zu erreichen, neue Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, im Großen wie im Kleinen. Ich bin mir sicher, dass wir ohne diese geteilte Begeisterung nicht auf so erfolgreiche 100 Jahre zu- rückblicken könnten. Heute ist Diringer & Scheidel eine diversifizierte Unternehmensgrup- pe, im Alltag erleben die meisten jedoch immer nur einen Ausschnitt aus unserem breiten Spektrum. Umso spannender ist es, beim Blick zurück durch die Geschichte zu erleben, was die weitverzweigten

TRADITION UND ZUKUNF T VEREINT 7 Stränge im Kern verbindet. Für mich sind das vor allem auch die Zu- verlässigkeit und Verbindlichkeit, die uns als Diringer & Scheidel auf allen Ebenen ausmachen und auf die unsere Kunden und Partner aber auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit 100 Jahren vertrauen können. Die kurzen Entscheidungswege und klaren An- sprechpartner. Die Bereitschaft aller bei Diringer & Scheidel betei- ligten Menschen, Verantwortung zu übernehmen. Auch diese Werte sind längst Teil unserer gemeinsamen DNA geworden. Als Familie be- mühen wir uns, ihnen jeden Tag gerecht zu werden. Unser Jubiläumsbuch ist das Ergebnis einer langen Reise und Suche nach den Wurzeln von Diringer & Scheidel. Für mich war vieles ver- traut, weil ich das Glück hatte, lange Jahre dieser Geschichte selbst miterleben und mitgestalten zu können. Aber egal, ob Sie uns schon seit Jahrzehnten begleiten oder gerade die ersten Schritte mit uns gehen, bin ich mir sicher, dass Sie auf den folgenden Seiten einiges entdecken werden, das Ihnen uns als Diringer & Scheidel noch ein wenig und möglicherweise auch nochmals anders näherbringt und Ihnen vielleicht sogar zeigt, wo unser gemeinsamer Weg in Zukunft hinführen kann. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen! Heinz Scheidel Vorsitzender der Geschäftsleitung

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN Mein Großvater war eigentlich ein lustiger Mensch. Auch wenn er bei Kunden war, hat er Späße gemacht. So gibt’s viele Episoden von ihm, die man überliefert hat. Heinz Scheidel, Enkel des Firmengründers Franz Anton Diringer ZU SCHERZEN AUFGELEGT H err Sturm ist nervös. Gerade ist er zum Herrn Direktor zitiert wor- den, dem Chef der Isolation AG. In deren Auftrag soll Sturms Arbeitgeber gerade eine Werkhalle bauen. Jetzt aber steht Sturm nicht auf der Baustelle, sondern in einem Vorzimmer, dreht seinen Hut immer wieder zwischen seinen Händen hin und her und erntet mitlei- dige Blicke der Sekretärin. Als er hereingebeten wird, muss er schwer schlucken. Nicht nur der Herr Direktor ist da, sondern auch sein Chef: Franz Anton Diringer, seines Zeichens Inhaber des Baugeschäfts Diringer. Die beiden Män- ner stehen vor dem Schreibtisch und mustern den kleingewachse- nen Polier mit ernstem Blick. Einen Moment lang herrscht Stille, dann räuspert sich der Direktor. „Wie Sie wissen, junger Mann, ist gestern eine Wand auf der Baustelle eingestürzt. Eine schwere Verzögerung unserer Pläne!“ Der Baupolier Sturm nickt zerknirscht. „Jawohl, Herr Direktor, eine ganz bedauerliche Geschichte.“ „Also, junger Mann, nun ganz frei heraus: Warum haben Sie denn die Wand umgeschmis- sen?“ Sturm ist baff. „Aber Herr Direktor, ich habe doch die Wand nicht umgeschmissen!“ „Aber der Herr Diringer hat doch gesagt, Sie haben die Wand umgeschmissen!“ Sturm schüttelt ungläubig den Kopf. „Aber ich hab‘ das doch nicht gemacht, Herr Direktor! Gestern war doch Unwett-…“ 11 MAN KENNT UND SCHÄTZT Der Groschen fällt beim jungen Polier, als sein Chef, der bisher mit versteinerter Miene das Gespräch verfolgt hat, zu lachen anfängt. Sturms Nervosität verschwindet und auch er grinst jetzt, als er sich korrigiert: „Gestern war doch Sturm. Der Sturm… hat die Wand umge- worfen.“ Für einen kurzen Moment blickt der Herr Direktor verwundert zwischen den beiden lachenden Männern hin und her – dann versteht auch er den Wortwitz und stimmt in das allgemeine Gelächter mit ein. Franz Anton Diringer kann sich den Spaß mit einem seiner bes- ten Kunden gut erlauben. Immer- hin kennt und schätzt man sich in Neckarau, dem Stadtteil im Süden Mannheims, in dem er selbst aufgewachsen ist und der auch die Heimat seiner Bauunternehmung ist. Diringer ist für seine Späße bekannt, auch in schwierigen Situationen. Mit Hartnäckigkeit, aber auch einer ordentlichen Portion Humor hat er sich schon durch so manche schwierige Zeiten gekämpft, ehe er zum Chef seines eigenen Baugeschäfts wird. SICH IN NECKARAU

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL In den Jahren wirtschaftlicher Prosperität und auch noch den darauffolgenden Jahren 1900/01 hat namentlich der neu einverleibte Vorort Neckarau eine höchst bemerkenswerte Wandlung in der Gliederung seiner Bodenfläche erfahren. 12 Aus der Chronik zum 300-jährigen Stadtjubiläum Mannheims, 1907 MIT DEM BAU-GEN GEBOREN F ranz Anton Diringer wird am 24. Juni 1886 in Neckarau geboren. Sein späterer Weg ist ihm quasi in die Wiege gelegt: Sein Pate und Namensgeber ist Franz Anton Noll, ein Verwandter seiner Mutter, Chef der gleichnamigen Firma und Erbe einer Baudynastie, die ihre Spuren bis ins Jahr 1796 zurückverfolgen kann. Der Junge, bald meis- tens nur Anton gerufen, bekommt also eine gehörige Spur Tradition mit in die Wiege gelegt. Und er eifert ihr schnell nach: Nach dem Besuch der Volksschule, mit kaum 14 Jahren, beginnt er eine Maurerlehre im Betrieb seines Patenonkels. Diringer ist ein begabter Lehrling. Als er nach drei Jahren seine Gesellenprüfung ablegt, wird er sofort über- nommen und arbeitet sich im Betrieb nach und nach voran. Gleichzeitig erlebt er um sich herum einen bis dahin ungekannten ge- sellschaftlichen Wandel. Es sind die Jahre der Hochindustrialisierung, in ganz Deutschland entstehen neue Fabriken, die Menschen strömen in die Städte. Auch im einst beschaulichen Neckarau tritt die agrari- sche Vergangenheit bald mehr und mehr in den Hintergrund: Schon bis zur Jahrhundertwende siedeln sich hier, in unmittelbarer Nachbar- schaft zum neuen Hafen Rheinau und entlang der Bahnstrecke nach Karlsruhe, zahlreiche Unternehmen an, zumal die Mannheimer Innen- Um die Jahrhundertwende entstehen in Neckarau zahlreiche neue Fabriken.

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN Die St. Jakobus Kirche in Mannheim Neckarau (rechts nach der Modernisierung 1907). bezirke für viele Industrieanlagen mittlerweile zu eng geworden sind. Angefangen mit der Rheinischen Gummi- und Celluloid-Fabrik sind es bis 1899 schon 21 Fabriken. Neckarau ist das größte „Dorf“ im Groß- herzogtum Baden und wird 1899 schließlich in den großen Nachbarn Mannheim eingemeindet. Das enorme Wachstum verschafft den Bauunternehmungen reichlich Aufträge. Noll ist in diesen Jahren die größte Baufirma in Neckarau, der Chef auch als Kommandant der neuen Freiwilligen Feuerwehr eine respektierte Persönlichkeit im Ort. Privatleute und Industrieunter- nehmen gleichermaßen vertrauen ihm ihre Bauaufträge an. So kommt auch Franz Anton Diringer auf den verschiedensten Baustellen, von kleinen Wohnhäusern bis zu großen Fabrikhallen, zum Einsatz. Ein be- sonderes Projekt ist für den gläubigen Katholiken Diringer die Arbeit an der St. Jakobus Kirche, denn das rasante Wachstum in Necka- rau macht eine umfassende Erweiterung unvermeidlich. Diringer hilft beim Aufbau der Kirche – und es werden nicht die letzten Steine blei- ben, die von ihm und seiner Familie in St. Jakobus gesetzt werden. Für den jungen Maurer Diringer sind diese hoffnungsvollen, frühen Jahre des 20. Jahrhunderts prägend: Sein Humor, anpackender Pragmatismus und sein optimistischer Blick in die Zukunft werden ihm in späteren Jahren noch gute Dienste erweisen. Auch seine Vor- gesetzten schätzen ihn: Er gilt als fleißig und kompetent und steigt bald im Betrieb auf. Zuletzt ist er als Maurerpolier bei mehreren Projekten für nahezu alle Maurerarbeiten verantwortlich. Und auch privat läuft es gut für Diringer: Er heiratet Elisabeth Winkenbach. Doch die glücklichen Zeiten in Neckarau werden schon kurz darauf jäh un- terbrochen – durch Ereignisse, die weit außerhalb der Kurpfalz ihren Ursprung haben. 13 Die Baubranche erlebt einen Boom, auch in Mannheim gibt es zahlreiche Großbaustellen: 1900–1903 wird am Friedrichsplatz eine Festhalle errichtet – der Rosengarten.

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN EIN SCHATTEN ÜBER EUROPA A m 28. Juni 1914 erschießt der serbische Nationalist Gavrilo Prin- cip im bosnischen Sarajevo den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin auf offener Straße. Es ist der Auf- takt zu einer beispiellosen Katastrophe – dem Ersten Weltkrieg. Für die Bewohner Europas ist es in diesen Wochen noch schwer vor- stellbar, was kommen wird. Viele Menschen genießen noch sorglos ihren Sommerurlaub, als sich die Krise durch Ultimaten im Juli 1914 zuspitzt. Selbst als Anfang August die Mobilmachungen beschlos- sen werden und die Großmächte sich gegenseitig den Krieg erklä- ren, sind die Deutschen noch guter Dinge: Der letzte große Krieg, der deutsch-französische Krieg, liegt über 40 Jahre zurück und ist in der Erinnerung zur heroischen Geburtsstunde des Kaiserreichs verklärt. Auch jetzt, so die Erwartung, geht es allenfalls um die Geschwindig- keit des Siegs. Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau wenige Augenblicke vor dem Attentat in Sarajevo. 15 FAMILIE DIRINGER DER KRIEG ERREICHT Auch in Neckarau kann man sich nicht ausmalen, welche Ausma- ße dieser Krieg annehmen wird: ein industrieller Abnutzungskrieg, der eine ganze Generation junger Männer auf den Schlachtfeldern zurücklässt. Diringer ist mit 28 Jahren im wehrfähigen Alter, als der Krieg aus- bricht. Er wird 1914 eingezogen und marschiert an die Westfront. Für den jungen Franz Anton muss die Hoffnung auf einen schnellen Sieg rasch verflogen sein, denn er verbringt nicht wenige Mona- te, sondern ganze drei Jahre auf den Schlachtfeldern; einzig unter- brochen durch kurze Heimaturlaube. Lichtblick in dieser Zeit ist die Geburt seiner Tochter: Margareta Elisabeth Diringer, wie ihre Mutter Elisabeth gerufen, wird am 13. Januar 1917 in Viernheim bei ihren mütterlichen Großeltern geboren. Ihr Vater kann, vielleicht aufgrund einer Verwundung, schon 1918 wieder zu seiner Familie und in seinen alten Beruf nach Mannheim zurückkehren. Ab Anfang November 1918 treffen hier immer wildere Nachrichten aus Berlin und dem Rest des Reichs ein. Matrosenaufstände und Revolu- tion, die Ausrufung der Republik und schließlich die Abdankung des Kaisers bestimmen die Zeitungsberichte, während sich die revolutio- nären Arbeiter auch in Mannheim zum Aufstand formieren. Inmitten dieser Wirren trifft am 11. November eine Meldung aus Compiègne bei Paris ein: Der Waffenstillstand ist unterschrieben, der Krieg nach vier Jahren beendet.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL EIN NEUSTART MIT 32 – DIE GRÜNDUNG DES BAUGESCHÄFTS DIRINGER F ranz Anton Diringer hat einen Plan. Er ist inzwischen 32 Jahre alt, Vater einer kleinen Tochter – und will nun sein eigenes Bau- NICHT ZUR RUHE DAS LAND KOMMT geschäft eröffnen. Doch hinter dem geradlinig scheinenden Vorhaben steckt eine gehö- rige Portion Mut. Denn die Zeiten sind alles andere als günstig für eine Firmengründung. Der Krieg ist zwar vorbei, aber die Lage bleibt ernst: Die revolutionären Unruhen vom November 1918 erfassen bald das ganze Deutsche Reich. In Mannheim übernimmt kurzzeitig sogar ein Arbeiter- und Soldatenrat die Kontrolle über die Stadt. Die Friedens- bedingungen des Versailler Vertrags machen Mannheim 1919 zudem plötzlich zur Grenzstadt: Französische Truppen besetzen bis 1924 die linksrheinische Pfalz; auf der Brücke nach Ludwigshafen gibt es Zollstationen. Die Demütigung des verlorenen Krieges wird so in der Region direkt sicht- und spürbar. Aber auch im Rest Deutschlands ist die Lage angespannt. Reak- tionäre Umtriebe wie der Kapp- Putsch von 1920 lassen das Land nicht zur Ruhe kommen und die harten Bedingungen des Friedensvertrags sind eine schwere Hypo- thek für die Stabilität der gerade entstehenden Weimarer Republik. Diringer lässt sich davon nicht beirren. Nach 19 Jahren verlässt er Noll und sammelt zunächst für zwei Jahre weitere Erfahrungen im Bau mit Eisenbeton bei einer Spezialfirma. Dann ist es so weit: Am 20. Juni 1921 gründet er das Baugeschäft Franz Anton Diringer. Die Adresse des neuen Unternehmens ist das Wohnhaus der Familie: Die Max- straße 40 in Neckarau. Hier wird 1922 auch sein Sohn Anton, genannt „Tonl“, geboren. Der Start für das Baugeschäft ist schwierig. Aufgrund der allgemei- nen Lage fehlt es an allem: Rohstoffe und Baumaterialien sind be- sonders knapp, Baustoffe sind schwierig zu bekommen und teuer. Grün & Bilfinger nutzt sogar zeitweise die nach dem Krieg reichlich vor handenen Munitionskisten als Ersatzmaterial; ein Patent für die „Zellenbauweise“ wird angemeldet und mehrere Wohnhäuser und Bauhütten werden mit dieser Methode konstruiert. Die Idee bringt letztlich nicht den gewünschten Erfolg, zeigt aber, mit welchem Prag- matismus und Ideenreichtum sich die Menschen in dieser Phase zu helfen versuchen. 16 Ein Zeichen der Niederlage: Die Rheinbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen wird nach dem Krieg zum Grenzübergang. Mein Großvater war ein freundlicher Mensch. Er hat Maurer gelernt und hat sich dann 1921 selbstständig gemacht – er wollte eben weiterkommen. Elisabeth Heffner, Enkelin von Franz Anton Diringer

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Ein schlichtes Emailleschild markiert die Anfänge der Firma. 20 MIT SEINEN GUTEN DIRINGER DURCH KONTAKTEN STARTET Zu tun gibt es für das junge Unternehmen von Franz Anton Diringer aber genug: Die industrielle Entwicklung von Neckarau und Mann- heim schreitet trotz aller Nachkriegswirren voran. In den Lanz-Werken auf dem Lindenhof werden die ersten Bulldog-Traktoren gebaut, und ab 1921 wird mit der Gründung des Großkraftwerks Mannheim der Grundstein für eine neue Energieversorgung gelegt. Auf dem Almen- hof entsteht nach den Vorstellungen der Gartenstadt-Idee ab 1921 eine neue Wohnsiedlung, die auch die Lücke zwischen Neckarau und dem Rest der Stadt schließt. Diringer findet für sein Baugeschäft daher genügend Aufgaben. Er ist in Neckarau gut vernetzt, als zuverlässig bekannt und wird als fairer Geschäftsmann geschätzt. Als Maurer und Betonexperte kann er im Hochbau bei verschie- densten Projekten seine Dienste anbieten. So ist er jetzt auf allen möglichen Baustellen unterwegs, von kleinen Wohnhäusern bis zu großen Industrieprojekten, bei Neu- bauten und Reparaturen. Wenn größere Unternehmen wie Diringers ehemaliger Arbeitgeber Noll kurzfristig Unterstützung brauchen, ziehen sie ihn gern zurate. Schon in diesen frühen Jahren legt Di- ringer damit den Grundstein für Geschäftsbeziehungen zu Kunden wie dem Großkraftwerk oder der Isolation AG, die teilweise bis heute Bestand haben. Die anfänglichen Erfolge werden aber von einer ganz anderen He- rausforderung bedroht, die nichts mit dem Geschick seiner Bau- unternehmung zu tun hat: Die Inflation der Nachkriegsjahre macht ein vernünftiges Wirtschaften immer schwieriger und mündet 1923 schließlich in die verheerende Phase der Hyperinflation, die als Trau- ma ganzen Generationen im Gedächtnis bleiben wird. Durch die Finanzierung des Ersten Weltkriegs mittels Kriegsanleihen und die enormen Reparationsforderungen nach der Niederlage steht der deutsche Staat vor einem gewaltigen Schuldenberg. Als Deutsch- land wiederholt Reparationen nicht zahlen kann, besetzen Anfang 1923 französische und belgische Truppen Teile des Ruhrgebiets. Die Reichsregierung ruft zum passiven Widerstand auf und wirft die No- tenpresse an, um die Streikenden finanziell zu unterstützen. Die Pa- piergeldflut entwertet die schon stark instabile Mark noch mehr und führt so zur Hyperinflation: Zu ihrem Höhepunkt im November 1923 liegt der Umrechnungskurs für einen US-Dollar bei 4,2 Billionen Mark. Die Situation wird schließlich unhaltbar. Am 15. November 1923 wird Während der Hyperinflation 1923 werden Banknoten zu Spielgeld.

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN 21 Mehr als Nachbarn – das Großkraftwerk Mannheim Das neue Baugeschäft ist nicht die einzige Firmengründung in Neckarau 1921. Im selben Jahr kommen die Pfalzwerke, die Badische Landeselektrizi- tätsversorgung (Vorläufer der heutigen EnBW), die Neckar AG und die Stadt Mannheim zusammen und beschließen den Bau eines Kraftwerks, das die gesamte Großstadt Mannheim zuverlässig mit Strom versorgen soll: Das „Grosskraftwerk Mannheim“ wird aus der Taufe gehoben. Gebaut werden die ersten, damals hochmodernen Anlagen des neuen Steinkohlekraftwerks direkt entlang des Rheinufers – die Kohleanlieferung kann so praktisch per Schiff erfolgen. Unter dem langjährigen Direktor Fritz Marguerre gehen ab 1923 die ersten Kessel in Betrieb. In diesem Zeitraum beginnt auch der zunächst kleine Betrieb von Franz Anton Diringer, sich in Neckarau und Umgebung einen Namen zu machen – auch bei den Betreibern des neuen GKM. Schon bald wird er gerne ange- fragt, wenn es kleinere Reparaturen oder Baumaßnahmen auf dem Gelände zu erledigen gilt. Es ist der Auftakt für eine lange Verbindung, die bis heute andauert: Das GKM wächst in den nächsten 100 Jahren immer weiter – und Diringer und seine Nachfolger sind bald fast überall mit dabei, egal, ob es um den Aufbau von Verwaltungsgebäuden geht, den Ausbau von Fern- wärmeleitungen oder schließlich auch die Errichtung von kompletten neuen Kraftwerksblöcken.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL die Mark zunächst durch die Rentenmark ersetzt. Im August 1924 folgt die Währungsumstellung auf die Reichsmark – zeitgleich mit dem Dawes-Plan, der endlich die deutschen Reparationszahlungen neu regelt und sie an die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse im Land anpasst. Vor allem die Improvisationskünste der Bevölkerung helfen in dieser Zeit dabei, einen völligen Kollaps des Wirtschaftslebens zu verhin- dern. Geld, das bald schon nur noch in Bündeln gewogen wird, wird mit Schubkarren abgeholt und so schnell wie möglich ausgegeben, ehe es weiter an Wert verliert und allenfalls noch als Brennmaterial taugt. Die Menschen halten so das Land trotz aller Widrigkeiten am Laufen – auch in Neckarau. Für Diringer, der als junger Unterneh- mer und Familienvater in dieser Phase um seine Existenz bangt, die schwerste Bewährungsprobe. Aber er verliert die Freude an seiner Arbeit auch unter widrigen Umständen nicht. Er kann sich mit seinem Unternehmen durch die Krise kämpfen und bewahrt sich seinen Mut und seine Innovationsfreude – Qualitäten, die ihm bald wieder gute Dienste erweisen werden. 22 Besetzung des Mannheimer Schlosses durch die Franzosen, September 1923 – Oktober 1924. Ein 20.000-Mark-Schein von 1923 zeigt die Auswirkungen der Hyperinflation. Schon wenig später wird auch diese Summe völlig wertlos sein.

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN KONSOLIDIERUNG UND AUSBAU – DIE ERSTEN JAHRE V ielleicht waren die Ziegen schon vorher da. Vielleicht kamen sie mit dem Grundstück. Karl Knapp, Jahrgang 1937, erinnert sich jedenfalls noch gut daran, dass sie da sind, wenn er als kleines Kind zu seinem „Onkel Anton“ geht: Ziegen, Hühner und Gänse – mitten auf dem Bauhof des Baugeschäfts Diringer. Doch Franz Anton Diringer ist nicht unter die Landwirte gegangen. Als er im Herbst 1926 ein kleines Stück Ackerland am Rande von Neckarau kauft, hat er ganz andere Pläne damit. Das Grundstück, eingetragen unter dem alten Flurnamen „Schwinngewann“, liegt kaum einen Steinwurf entfernt vom neuen Großkraftwerk. Und erhält bald eine neue Adresse: Die Wilhelm-Wundt-Straße soll die neue Heimat seines wachsenden Unternehmens werden. Dass es überhaupt zum Kauf kommt, verdankt Diringer dabei einem ungeahnten Aufschwung. Fast schlagartig mit dem Ende der Hyperinflation beginnt im Deut- schen Reich eine Blütephase: Die „Goldenen Zwanziger“ bre- chen an. Die Bevölkerung, nach den Kriegs- und Krisenjahren ausgezehrt und erschöpft, begeistert sich nun wieder für Kultur, Unterhaltung und neue Medien wie das Ra- dio. Die Wirtschaft stabilisiert sich, es wird wieder investiert – und ge- baut. Für das Baugeschäft bedeutet das ein immer stärkeres Wachs- tum. Mit immer mehr Projekten braucht Diringer auch mehr Platz, um Geräte und Baumaterial aller Art sicher zu lagern. Der Hof des Hau- ses in der Maxstraße reicht dafür schon lange nicht mehr aus. NACH LANGEN KRISENJAHREN FOLGT DER AUFSCHWUNG 23 Im Winter war ja mit der Maurerei nichts, da ist der in die Wirtschaft gegangen und hat Ziehharmonika gespielt. Karl Knapp, Neffe, über Franz Anton Diringer Interview mit Karl Knapp

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN 25 Eine Erinnerung an die frühen Jahre der Firma: Das Eckhaus an der Belfortstraße / Wilhelm-Wundt-Straße. Der Bauhof bedeutet für Diringer also die Etablierung als ernsthafter Baubetrieb. Doch die Branche ist in dieser Zeit noch eine völlig an- dere als heutzutage. Bauarbeiten sind stark saisonal und witterungs- abhängig, Planungs- und Auftragsprozesse kurzfristig und oft großen Schwankungen unterlegen. So ist auch das Baugeschäft von Diringer in erster Linie ein Ein-Mann-Betrieb: Diringer selbst pflegt die Kontak- te zu den Kunden, während die Belegschaft, die die Arbeiten aus- führt, eine hohe Fluktuation aufweist: Gesellen ziehen nach einigen Monaten wieder weiter und im Winter gehen die Arbeiter nicht selten anderen Tätigkeiten nach, da das Baugeschäft teilweise ruhen muss. Es ist daher nicht überraschend, dass auch auf dem Bauhof nicht nur Zement und Gerüstteile lagern, sondern auch Tiere gehalten wer- den. Franz Anton Diringer selbst nutzt die Freizeit im Winter aber auch gerne, um des Öfteren mit seinem Bandoneon in den Wirtshäusern Neckaraus die Menschen zu unterhalten. DIRINGER IST SEINEN ARBEITERN BELIEBT – AUCH BEI Und es überrascht auch nicht, dass die Arbeiter gerne wieder zu Franz Anton Diringer kommen, wenn er sie braucht. Er ist ein um- sichtiger Chef, immer zu einem Spaß aufgelegt und versteht sein Geschäft gut. Und nicht zuletzt dank der tatkräftigen kaufmännischen Mithilfe seiner Frau stimmen auch die Lohnzahlungen immer. So kann der Betrieb weiter wachsen: In guten Zeiten werden bis zu 40 Mitar- beiter beschäftigt, die Aufträge werden immer größer: 1928 etwa baut das Unternehmen in direkter Nachbarschaft zum Bauhof an der Ecke Belfortstraße für den Architekten Weinhold erstmals ein großes Wohn- haus. Nach den turbulenten Anfangsjahren kann Diringer mit Stolz auf das Erreichte blicken. Doch die Hochphase der 1920er Jahre nähert sich zügig ihrem Ende – und das folgende Jahrzehnt wird ganz neue Herausforderungen mit sich bringen.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Arbeitslose stehen in der Krise Schlange an der Stempelstelle des Arbeitsamtes. 26 DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE ERREICHT MANNHEIM D ie Nachrichten aus Amerika sind schlecht: An der Börse in New York brechen im Herbst 1929 die Kurse ein. In Neckarau liest Fa- milie Diringer die Schlagzeilen – dann wird die Zeitung weggelegt und es geht wieder an die Arbeit. Krisen ist die Generation, die gerade erst den Krieg und die Inflationsjahre überstanden hat, schließlich zur Genüge gewohnt. Börsennachrichten aus New York reichen da kaum aus, um Unordnung in den Alltag zu bringen. Doch die scheinbar so ferne Börsenkrise stellt sich bald als Auftakt ei- ner Entwicklung heraus, deren Folgen rasend schnell auch Deutsch- land erreichen. Amerikanische Anleger ziehen ihr Geld ab – Geld, das die deutsche Wirtschaft dringend nötig hätte. In den folgenden Jahren wird die Industrieproduktion um bis zu 40 Prozent fallen, Ban- ken müssen schließen und zahllose Firmen Konkurs anmelden. Die Folgen sind dramatisch: Millionen Menschen verlieren ihre Arbeit, Ar- mut und Kriminalität nehmen sprunghaft zu – die Weltwirtschaftskrise ist in vollem Gange. Die Industrie- und Hafenstadt Mannheim wird von der Krise beson- ders hart getroffen. Auf dem Höhepunkt der Krise sind 12,7 Prozent der Mannheimer ohne Arbeit, in vielen Betrieben wird nur noch ver- kürzt gearbeitet. Viele Menschen sind auf wohltätige Unterstützung angewiesen: Volksküchen werden eingerichtet, um die Ärmsten zu versorgen, Turnhallen im Winter als „Wärmehallen“ für die Obdachlo- sen geöffnet. Wer noch Arbeit und etwas Geld hat, spart es aus Angst vor noch schlechteren Zeiten. Auch für die Bauunternehmung von Franz Anton Diringer brechen schwierige Zeiten an, es gibt kaum noch Aufträge. Die öffentlichen Auftraggeber sind durch die Krise überschuldet und werden durch die vielen Bedürftigen zusätzlich belastet. An 40 Mitarbeiter ist bei Diringer so schon lange nicht mehr zu denken – fast die Hälfte aller Bauarbeiter ist in den Krisenjahren dauerhaft ohne Arbeit. Im- merhin gelingt es Diringer, auch dank seiner guten Beziehungen zu den Stammkunden, den Betrieb durch die schlimmsten Krisenjahre zu steuern. Inmitten der Kriegsjahre erlebt Familie Diringer aber einen noch viel persönlicheren Schicksalsschlag: Sohn "Tonl" kommt 1932 mit erst zehn Jahren bei einem Unfall ums Leben. Die schweren Jahre bewei- sen aber auch den Zusammenhalt und Durchhaltewillen der Familien- angehörigen – eine Eigenschaft, die in den kommenden Jahren immer wieder wichtig sein wird. ICH SUCHE ARBEIT JEDER ART!

19 21–19 4 6 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN 29 UMBRUCH UND ALLTAG A m 30. Januar 1933 marschiert der Ortsverband der NSDAP mit rund 700 Personen in einem Fackelzug durch Mannheim. Kurz zuvor ist Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden. Der Fackelzug wird aber nicht nur von vielen Schaulustigen flankiert, sondern es gibt auch Schmährufe und Sprechchöre gegen den Aufmarsch. Am Messplatz kommt es zum handfesten Zusammenstoß mit den Gegendemonstranten. Die Schlägerei wird schließlich von der Polizei beendet. Doch sie zeigt auch, wie aufgeladen das politische Klima in den letzten Tagen der Weimarer Republik ist. Die Wirtschaftskrise flaut zwar in dieser Zeit ab, aber noch erreicht die Entspannung die Menschen nicht – und der Vertrauensverlust in die etablierte Politik sitzt tief. Besonders die Nationalsozialisten machen sich Frustration und Elend in der Bevölkerung zunutze und machen Stimmung gegen die Republik. In Mannheim treten seit 1930 Partei- größen wie Joseph Goebbels, aber auch Adolf Hitler selbst, im Nibe- lungensaal des Rosengartens auf, während die SA zum „Großkampf um Mannheim“ mobilisiert wird: Saalschlachten bei den Veranstaltun- gen der politischen Gegner und provokante Aufmärsche gerade in den Arbeiterstadtteilen wie der Neckarstadt, dem Waldhof und auch in Neckarau sollen Stärke demonstrieren. Der Widerstand noch im Januar 1933 zeigt aber auch: Mannheim bleibt für die Nationalsozialisten kaum zu knacken. Die Industriestadt ist eine „rote Hochburg“, die NSDAP bleibt hier bei allen freien Wah- len unter ihren reichsweiten Ergebnissen. Selbst als die Nationalso- zialisten stärkste Kraft im Reichstag werden und Hitler an die Macht drängt, wehren sich SPD und KPD, aber auch engagierte Jugendver- bände wie der Katholische Jungmännerverband bis zuletzt.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Ich würde mir alle Mühe geben und meinen ganzen Stolz würde ich daran setzen, aus diesen Jungs tüchtige Gesellen und deutsche Männer heranzuziehen. Heinrich Scheidel, Antrag auf Befugnis zur Lehrlingsausbildung, 1938 30 Der „Rote Ochse“, ein Neckarauer Gasthaus und Vereinsheim der katholischen Jugend in Neckarau. Hier lernt Elisabeth Di- ringer den jungen Heinrich Scheidel kennen. IN REKORDTEMPO SEINE DIKTATUR ETABLIERT HITLER Doch viel Raum für offenen Widerstand gibt es nicht mehr. Die Na- tionalsozialisten beginnen nach Hitlers Ernennung umgehend damit, ihre Macht auszubauen, indem sie ihre politischen Gegner systema- tisch bekämpfen und schließlich ausschalten. Einen willkommenen Anlass und Vorwand für eine Notverordnung bietet dabei der Reichs- tagsbrand vom 27./28. Februar 1933. Schon am Tag nach dem Brand wird die Notverordnung „Zum Schutz von Volk und Staat“ erlassen, mit der die Grundrechte der Wei- marer Verfassung außer Kraft gesetzt werden und der Weg für eine legalisierte Verfolgung politi- scher Gegner der NSDAP frei ist. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 wird die Gewaltenteilung endgültig aufgehoben – die nationalsozialistische Diktatur ist damit gefestigt und Gesetze erlässt Adolf Hitler nun direkt. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom April 1933 werden jüdische Beamte und politisch „unliebsame Personen“ aus dem Staatsdienst entfernt. Die Nürnberger Gesetze von 1935 geben der antisemitischen und rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten eine pseudo-juristi- sche Grundlage. Und mit der „Geheimen Staatspolizei“ (Gestapo) schaffen die Nationalsozialisten einen ebenso perfiden wie brutalen Überwachungsapparat. Für viele Deutsche mögen diese Entwicklungen zunächst keinen di- rekten Einfluss auf ihr Leben haben – im Gegenteil. Die NS-Propagan- da verspricht wirtschaftlichen Aufschwung, bessere Zeiten, Ordnung und Ruhe. Tatsächlich lässt der wirtschaftliche Aufschwung auch nicht lange auf sich warten: Mit zahlreichen Arbeitsbeschaffungsmaß-

1921–1946 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN 31 Der künftige Schwiegersohn – Heinrich Scheidels frühe Jahre Heinrich Scheidel wird am 13. März 1915 als eines von sechs Kin- dern eines Industriemeisters in eine alteingesessene Neckarauer Familie geboren. Der junge Heinrich ist aufgeweckt und unter- nehmungslustig: Von Kindheit an ist er bei den katholischen St. Georgs-Pfadfindern aktiv und engagiert sich in der katholischen Jugend Deutschlands. Eigentlich will Heinrich Scheidel nach seiner Schulzeit Maurer werden. Doch selbst bei Noll, der größten Baufirma in Neckarau, spürt man im Jahr 1932 noch immer die Folgen der Weltwirt- schaftskrise – es werden keine Lehrlinge gesucht. Stattdessen verschlägt es Heinrich in die Mannheimer Innenstadt: Bei einem Textilhändler macht er eine kaufmännische Lehre, sammelt Er- fahrungen als Kontorist und Verkäufer. 1936 wird er im Zuge der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht zum Wehrdienst eingezogen. Auch während seiner zwei Pflichtjahre bei der Wehrmacht bleibt Heinrich bei der katholischen Jugend der St. Jakobus-Gemeinde aktiv. Hier lernt er seine zukünftige Frau Elisabeth kennen – die Tochter von Elisabeth und Franz Anton Diringer ist nur wenige Straßen von seinem eigenen Elternhaus entfernt aufgewachsen. Als er 1938 wieder zurück in Neckarau ist, tritt er in den Betrieb ihres Vaters ein und beginnt dort schließlich die lange erhoffte Maurerlehre. Heinrich Scheidel bei den katholischen St. Georgs-Pfadfindern.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL nahmen und der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht ver- schwinden die vielen Arbeitslosen von der Straße, mit dem Vierjahres- plan folgt schließlich ein gigantisches Wiederaufrüstungsprogramm, das nahezu alle Bereiche der Wirtschaft umfasst. AUFSCHWUNG EIN TEUER ERKAUFTER Für Franz Anton Diringer und sein Baugeschäft ist diese Erholung schnell spürbar. Er kann wieder mehr Mitarbeiter beschäftigen, baut für seine alten Kunden aus der Industrie genauso wie für Privatleute aus Neckarau. Das Geschäft läuft in den nächsten Jahren so gut, dass er bald vor einem neuen Problem steht, das seinen Nachfolgern nur zu vertraut sein wird: Ihm fehlen gut ausgebildete Fachkräfte. So stellt er 1938 einen Antrag an den Bezirksrat, um Maurerlehrlinge ausbilden zu dürfen. Dabei gibt er einen Einblick in seine Tätigkeit: „Während meiner bisherigen Bau- und Büropraxis hatte ich Gelegen- heit, mich aber auch in allen Bau- und Büroarbeiten zu betätigen. Es war mir Gelegenheit geboten, größere Gebäude für Privat und Fabrik herzustellen. Dass ich für die Arbeiten befähigt war, beweist schon, dass ich selbst diese Bauten bisher ohne Polier geleistet habe.“ Die Fachkunde, die er sich in mittlerweile fast 40 Jahren Bauerfah- rung erworben hat, möchte er gerne weitergeben. Der Antrag wird genehmigt. Doch die Umstände der Zeit lassen sich nicht ignorieren: Diringers Antrag endet mit der offiziellen Grußformel „Heil Hitler“ – der Nationalsozialismus ist nach fünf Jahren im Alltag der Menschen tief verankert. Wenige Wochen, nachdem der Antrag offiziell genehmigt wird, brennen anlässlich der Novemberpogrome im gesamten Deut- schen Reich die Synagogen, auch in der Mannheimer Innenstadt. Und weniger als ein Jahr später entfesselt Deutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Zunächst geht in der NS-Zeit das Leben für die meisten Mannheimer seinen gewohnten Gang. Hier der Neubau des Neckarauer Übergangs, 1935. 32

Heinrich Scheidel, links bei seiner Gesellenprüfung 1939, rechts bei seiner Meisterprüfung nach dem Krieg. 33 EIN GANZ BESONDERER BETRIEB EIN LEHRLING TRITT IN DEN Zwar kommt Diringer kaum dazu, Nachwuchs auszubilden. Doch mindestens einen wissbegie- rigen jungen Mann hat er bald schon neben sich auf den Bau- stellen: Heinrich Scheidel. Der ist zwar mit seinen 23 Jahren schon ein gutes Stück älter als die üblichen Lehrlinge. Doch er hat eine besondere Qualifikation: Er ist der Ver- lobte von Diringers Tochter Elisabeth. Falls Franz Anton Diringer gegenüber dem künftigen Schwiegersohn je Bedenken gehegt hat, verfliegen diese schnell: Heinrich Scheidel ist ein Glücksfall in unsicheren Zeiten. Der junge Mann erweist sich als tüchtiger Maurer, ist wissbegierig und fleißig. Er passt zur Familie und wird so bald schon zum designierten Nachfolger. Schon 1939 legt er seine Gesellenprüfung ab und plant, an der Technischen Hochschule Karlsruhe Hoch- und Tiefbau zu studieren, um das Ge- schäft seines Schwiegervaters in spe weiterzuführen. Dazu kommt es nicht mehr: 1939 heiraten Heinrich Scheidel und Elisabeth Diringer in Neckarau, doch als im folgenden Jahr ihre Tochter Elisabeth Scheidel auf die Welt kommt, ist Heinrich Scheidel bereits zur Front eingezogen worden. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL BOMBEN STATT BAUEN – DIRINGER, SCHEIDEL UND DER ZWEITE WELTKRIEG M it Beginn des Zweiten Weltkriegs kommt die Tätigkeit des Bau- geschäfts Diringer fast vollständig zum Erliegen. Der kleine Betrieb spielt für die großen Bauprojekte – Rüstungsanlagen und Bunker haben Hochkonjunktur – keine Rolle. Für private Bauvorha- ben ist nun kein Platz mehr: Die Bauarbeiter werden eingezogen und müssen an die Front, Baustoffe sind ohnehin nicht mehr frei erhältlich, Rohstoffe rationiert und der Kriegswirtschaft vorbehalten. Eine ge- regelte Bautätigkeit des Unternehmens ist während der Kriegsjahre jedenfalls nicht überliefert. Franz Anton Diringer, der es bis hierhin geschafft hat, sein Geschäft durch 18 krisengeschüttelte Jahre zu steuern, ist mittlerweile 59 Jahre 34 Blick auf den zerstörten Paradeplatz, ca. 1945.

1921–1946 | AUFBRUCH IN UNRUHIGEN ZEITEN 35 Entnazifizierung Nach der Befreiung und Kapitulation Hitler-Deutschlands be- ginnen die Alliierten umgehend damit, jedem Wiedererstarken des Nationalsozialismus vorzubeugen und die Bevölkerung zu „entnazifizieren“. In der amerikanischen Besatzungszone müssen sich zu diesem Zweck alle Mitglieder der NSDAP oder wichtiger NS-Organisationen vor sogenannten Spruchkam- mern verantworten. Darunter ist auch Heinrich Scheidel. Der junge Mann ist zwischen 1938 und 1939 für einige Monate NSDAP-Mitglied. Dabei hegt er eigentlich gar keine Sympathien für die Nazis, im Gegenteil: Die katholische Jugend, der Schei- del angehört, ist den neuen Machthabern wegen ihrer Eigen- ständigkeit ein Dorn im Auge. Bezirke wie Neckarau verschaffen den Nationalsozialisten auch dank ihrer starken katholischen Gemeinden bis zuletzt die schwächsten Wahlergebnisse. Doch nun werden die Konflikte handfest: Im Jahr 1935 schmiert eine Gruppe von Hitlerjugendlichen „Tod den Schwarzen“ (gemeint sind die Katholiken) an das Haus der katholischen Jugend. Heinrich und seine Gefährten wehren sich, es kommt zu einer Prügelei mit der HJ. Doch die Sache ist damit nicht erledigt: Heinrich Scheidel wird von der Gestapo vorgeladen und steht für einige Monate sogar unter Beobachtung. Trotzdem arrangiert auch er sich zu einem Teil mit dem Re- gime: Als er sich 1938 um einen Studienplatz bemüht, wird ihm schnell klargemacht, dass höhere Bildung im NS-Staat nur für linientreue Nationalsozialisten verfügbar ist. So tritt Scheidel nach seinem Wehrdienst in die Partei ein. Als sich mit Kriegsbeginn seine Studienpläne zerschlagen, beweist er jedoch Konsequenz: Er tritt wieder aus der Partei aus, ohne sich je aktiv engagiert zu haben. Scheidels Verfahren vor der Spruchkammer wird schließlich Anfang 1947 eingestellt. Seinem Schwiegervater Franz Anton Diringer bleibt ein solches Verfahren erspart. Er ist kein NSDAP-Mitglied und auch sonst in keiner NS-Organisation aktiv gewesen. Baugrube am Paradeplatz, hier wird 1941 einer der zahlreichen Mannheimer Luftschutzbunker gebaut. alt und gesundheitlich angeschlagen. Solange es geht, hält er den Betrieb noch aufrecht. Doch Mannheim wird als wichtige Industrie- und Hafenstadt schon bald zum Ziel der alliierten Luftangriffe: Schon am 5. Juni 1940 fallen die ersten britischen Bomben auf die Stadt. In Neckarau beginnt man im Großkraftwerk damit, einen kompletten Kraftwerksblock in einen unterirdischen Bunker zu verlegen – ein kla- res Zeichen für die Neckarauer, wie heikel die Lage auch für sie ist. In diesen bedrohlichen Zeiten ist der Familienzusammenhalt wichtiger denn je. Elisabeth Diringer verlässt mit der kleinen Elisabeth die Stadt und siedelt in den Odenwald über. Großvater Diringer, der sie so oft wie möglich besucht, wird in dieser Zeit zum Ersatzvater für das kleine Mädchen. Heinrich Scheidel sieht seine Tochter in dieser Zeit nur bei seltenen Heimatbesuchen. Immerhin hat er Glück, denn er übersteht den Krieg unverwundet. Seine Heimatstadt versinkt derweil in Schutt und Asche: Mit über 150 Luftangriffen wird Mannheim schließlich trau- rigen Ruhm als die am häufigsten bombardierte Stadt im Südwesten erlangen. Auch Neckarau wird in der Nacht vom 9. auf den 10. August 1943 zum Ziel der Bomber. Die umfassenden Luftschutzvorkehrungen und Evakuierungen retten zwar viele Menschenleben – es gibt „nur“ etwa 2.000 Tote in Mannheim zu beklagen – doch am Ende des Krie- ges sind von 87.000 Wohnungen in der Stadt nur noch 17 Prozent unbeschädigt. Erst als am 29. März 1945 amerikanische Panzer die Innenstadt erreichen, hat der Krieg für die Quadratestadt ein Ende. Die endgültige Kapitulation der Deutschen am 8. Mai 1945 erlebt Heinrich Scheidel bereits in amerikanischer Gefangenschaft. Später

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Schon direkt nach der Befreiung Mannheims bemüht sich Franz Anton Diringer, sein Geschäft wieder aufzubauen. Eine Anzeige-Bescheinigung zur Firmeneintragung (als Ersatz wegen Fliegerschäden). 36 Noch vor Kriegsende macht Franz Anton Diringer sich im befreiten Mannheim wieder an die Arbeit und meldet sein Gewerbe wieder an. wird er an die Franzosen übergeben und ist in einem Kriegsgefange- nenlager in der Nähe von Marseille inhaftiert, das er aber schon im Februar 1946 wieder verlassen kann. Seine Familie erwartet ihn be- reits – nach den langen Kriegsjahren sind sie zum ersten Mal wieder alle in der heimischen Maxstraße vereint. Das Mannheim, in das Heinrich Scheidel 1946 zurückkehrt, ist fast nicht wiederzuerkennen: Weite Teile der Innenstadt liegen in Trüm- mern, das Schloss ist ausgebrannt, ganze Wohngebiete nur noch Rui- nenlandschaften. Auch die Infrastruktur ist zerstört: Die Brücken über Rhein und Neckar hatte die Wehrmacht noch in den letzten Kriegs- tagen gesprengt. Selbst in Außenbezirken wie Neckarau haben die Bombenangriffe tiefe Spuren hinterlassen. Viele Menschen verbrin- gen die ersten Nachkriegswinter in behelfsmäßigen Baracken, hinzu kommt der große Mangel an Nahrung und allen möglichen Dingen des täglichen Bedarfs. Trotzdem herrscht insgesamt wieder Zuver- sicht: Endlich ist Frieden. Der Wiederaufbau kann beginnen.

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ Wie ich nach Mannheim gekommen bin, da waren am Kaiserring nur drei Gebäude gestanden! Es waren ja alles Ruinen noch. Und wenn da eine Baustelle mit Abwasserrohren war… Kupfer war teuer... Georg Haser, seit den 1950er Jahren Kranführer bei Diringer & Scheidel 41 GLÄNZEN ZWISCHEN DEN TRÜMMERN H einz Breyer hat einen guten Tag. Es ist ein warmer Frühlingstag Mitte der 1950er Jahre, und er und seine Kollegen haben gera- de angefangen, Schutt auf der neuesten Baustelle in der Mannheimer Innenstadt wegzuräumen, da entdeckt er ein Glänzen im Keller: Inmitten der Trümmer finden sich noch alte Kupferrohre. Kurzent- schlossen packt er sich einen der Lehrlinge – hoch zur Einfahrt, Schmiere stehen, ob der Chef auftaucht. Die restlichen Männer fan- gen derweil an, das Altmetall aus den Wänden zu ziehen, immerhin lassen sich damit ein paar Mark verdienen; der Chef darf allerdings nichts mitbekommen. Eilig machen sich die Arbeiter ans Werk. Unter Scheppern und Knir- schen befreien sie das erste Rohr aus der Wand, als hinter ihnen ein Räuspern zu hören ist. Breyer dreht sich um – und steht seinem Chef direkt gegenüber: Heinrich Scheidel mit Mantel, Hut und einem leicht belustigten Lächeln auf den Lippen. Hinter ihm kommt gerade der Lehrling die Treppe heruntergehastet. „Der Alte kommt! Der Alte…“ Der Junge verstummt kleinlaut, als er sieht, dass seine Warnung zu spät kommt. Scheidel, kaum 40 Jahre alt, zieht eine Augenbraue hoch. „Was habt ihr denn geschafft?“, fragt er in die Runde. Zer- knirscht gesteht Breyer den Kupferfund und lässt den Kopf hängen. Doch Scheidel grinst und winkt ab. „Biergeld, Jungs, nehmt‘s als Biergeld. Macht weiter.“ Über 150 Luftangriffe haben in Mannheim und Neckarau ihre Spuren hinterlassen, wie hier an der fast völlig zerstörten katholischen Kirche in Neckarau.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Wiederaufbau Eckhaus Augartenstraße/Kleinfeldstraße, Bäckerei Kolb, 1949. 42 Wiederaufbau der S t. Jakobus Kirche, 1950. Karbid-Kontor in der Oststadt, 1950-1951. Diringer & Scheidel ist in ganz Mannheim und Umgebung am Wiederaufbau beteiligt. Heinrich Scheidel kann sich die kleine Großzügigkeit in diesen Ta- gen erlauben: Die Geschäfte laufen bestens. Knapp zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind Breyer und sein Trupp nur eine Handvoll von über 120 Mitarbeitern, die für seine Baufirma Diringer & Scheidel in ganz Mannheim und Umgebung beschäftigt sind. Jeden Tag kommen neue Aufträge und Mitarbeiter hinzu. Und Scheidel plant sogar, das Unternehmen in eine neue Richtung zu erweitern. Dass das Unternehmen so weit kommt, ist nach dem Krieg kaum ab- zusehen. Im Sommer 1945 ist die Bauunternehmung Diringer kaum mehr als ein staubiger, halb verlassener Bauhof, das Büro im Wohn- haus in der Maxstraße, der einzige Mitarbeiter ist der Firmengründer. Zu tun gäbe es aber genug: Fast drei Viertel aller Gebäude in Mann- heim, darunter mindestens die Hälfte aller Wohnungen, sind zerstört oder beschädigt, die Menschen werden von den amerikanischen Besatzungstruppen mehr schlecht als recht versorgt und kommen in Notunterkünften zwischen ausgebombten Ruinen und in den noch stehenden Luftschutz- bunkern unter. Baumaterial oder Werkzeug sind in den ersten harten Nachkriegsjahren kaum zu bekommen. Viele Arbeiter befinden sich noch in Kriegsgefangen- schaft. Die dringlichste Aufgabe in der Stadt liegt zunächst in der Trümmerbeseitigung, die vor allem von Frauen und älteren Menschen übernommen wird. Doch auch, als sich wieder ein gewisser Alltag einpendelt, ist für Franz Anton Diringer und den inzwischen heimgekehrten Schwieger- sohn Heinrich Scheidel nur langsam an einen gewöhnlichen Betrieb zu denken. Die Kenntnisse der beiden sind zwar dringend nachge- fragt – Heinrich Scheidel holt in der Abendschule seine Meisterprü- fung nach, während Franz Anton Diringer Tag und Nacht unterwegs ist, um alte Kontakte zu reaktivieren. Aber die wirtschaftliche Lage MANNHEIM GIBT ES IM ZERSTÖRTEN REICHLICH ARBEIT

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ ist kompliziert: Aufrüstungs- und Kriegskosten, gedeckt durch infla- tionäre Geldpolitik, haben die deutsche Reichsmark bis 1945 in den Ruin getrieben. Auch jetzt, nach Kriegsende, setzt sich der Verfall der Währung fort. Statt wertloses Papiergeld auszutauschen, blühen Schwarzmarkt und Tauschhandel auf – in der Sprache der Zeitgenos- sen „Kompensationsgeschäfte“: Für ein halbes Pfund Butter gibt es etwa 50 Zigaretten, für eine Fotokamera 20 Pfund Kartoffeln. Auch in Neckarau werden viele Reparaturen in diesen Tagen vor allem in Naturalien und mit gegenseitigen Hilfeleistungen beglichen. Mit einer Währungsreform wollen die westlichen Alliierten die Grund- lage für einen nachhaltigeren Wiederaufbau schaffen. So wird am 20. Juni 1948 in den westlichen Besatzungszonen die Reichsmark (RM) abgeschafft und die Deutsche Mark (DM) eingeführt. Die UdSSR reagiert mit der Einführung einer eigenen Währung in der Sowjeti- schen Besatzungszone (SBZ) am 23. Juni. Die getrennten Reformen beschleunigen die Teilung Deutschlands, die 1949 in der Gründung zweier deutscher Staaten mündet. Die schnelle Integration der west- deutschen Wirtschaft in den Weltmarkt und die durch die Wirtschafts- reformen geschaffenen günstigen Bedingungen führen im Westen schließlich zu einem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung und för- dern das sogenannte Wirtschaftswunder. Auch in der Innenstadt prägt D&S das Stadtbild nachhaltig. Links: Neubau für die Firma Binzenhöfer am Kaiserring. Rechts: Ein Wohn- und Geschäftshaus für Bergbräu am Friedrichsring. 43

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Elisabeth Scheidel in ihrem Büro in der Wilhelm-Wundt-Straße, ca. 1954. 44 Elisabeth Scheidel, geb. Diringer (1917–2001) MEHR ALS EINE „Die Frau Scheidel, das war ja die Hauptperson.“ – Wenn sich altgediente Arbeiter wie Georg Haser nach Jahrzehnten an die 1950er Jahre zurückerin- nern, wird der Name Elisabeth Scheidel immer mit einer gewissen Ehrfurcht ausgesprochen. Diese hat sich die Tochter des Firmengründers über Jahre erarbeitet. Schon als junge Frau hilft sie in den 1930er Jahren im väterlichen Betrieb, unterschreibt ganz selbstverständlich im Auftrag ihres Vaters Abrechnungen und Be- lege und hat immer einen nüchternen Blick auf die Finanzen. Bald schon übernimmt sie auch die Lohnabrechnungen und -auszahlungen. Nach den Er- fahrungen der Nachkriegsjahre ist sie zudem ständig akribisch auf der Suche nach möglichen Einsparungen – gelegentlich zum Leidwesen der Arbeiter. „Wenn im Schutthaufen halbe Steine gelegen sind, dann ist sie hin, hat einen ausgeschimpft: ‚Die halben kommen alle rauf, die müssen verbaut werden!‘“, erinnert sich Georg Haser. Dieter Lacroix kennt ähnliche Geschichten: „Wenn wir zum Lagerplatz gekommen sind, da haben wir uns nicht einfach hinhocken „GUTE SEELE“ können. Da hätte die Frau Scheidel geschimpft: ‚Dieter, was soll das?! Habt ihr frei jetzt oder was macht denn ihr?‘“ Für Elisabeth Scheidel gibt es immer etwas zu tun: Holzreste lassen sich als Brennholz aufsammeln, das Werkzeug will inventarisiert werden. Und zur Not können die Bauarbeiter auch die auf dem Bauhof verstreuten Nägel und Eisenspäne auflesen. Doch Elisabeth Scheidel hat nicht nur einen strengen Blick auf die Arbeiter, sondern ist auch fürsorglich und setzt sich unermüdlich für sie ein. Wenn Mitarbeiter in finanzielle Schwierigkeiten kommen, berät sie – falls nötig auch mit Nachdruck: Einem Arbeiter, der am Zahltag seiner Frau kein Geld übergibt, wäscht sie mit einer ausgewachsenen Standpauke den Kopf. Selbst wenn Mit- arbeiter ihre Privathäuser bauen, inspiziert sie die Baustellen, prüft die Arbeit der Handwerker kritisch und lässt zur Not noch Leute aus der Firma anrücken, damit alles fachgerecht erledigt wird. 1967 erkrankt Elisabeth Scheidel und muss sich zunehmend aus dem Geschäft zurückziehen. Ihre Arbeit, mit der sie fast 40 Jahre lang die „gute Seele“ des Unternehmens war, wirkt aber noch lange darüber hinaus fort – und der Res- pekt für sie ist bis heute in der Firma spürbar.

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ Er wusste, dass es in guten Händen bei meinem Vater war. Er hat ihm sehr freie Hand gelassen, obwohl er am Anfang noch Teilhaber vom Geschäft war. Aber er war sehr großzügig bei den Entscheidungen. Elisabeth Heffner, geb. Scheidel, über ihren Großvater Franz Anton Diringer 45 EIN NEUER NAME AUF DEM FIRMENSCHILD D ie Währungsreform und die Gründung der Bundesrepublik wer- den zum Startschuss eines dynamischen Aufschwungs, der als „Wirtschaftswunder“ in die Geschichte eingehen wird. In Neckarau gibt es fast zeitgleich eine weitreichende Wendung: Heinrich Schei- del tritt 1949 als offizieller Teilhaber in das Geschäft des Schwieger- vaters ein, das nun in „F. A. Diringer & H. Scheidel“ umbenannt wird. Der Name ist etwas sperrig und als Heinrich Scheidel später beginnt, ihn auf „Diringer & Scheidel“ zu verkürzen, erhält er eine behördliche Rüge – die Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss zwingend unter ihrem vollen Namen auftreten. Erst nach einer weiteren Umgestaltung wird das Unternehmen schließlich zu „Diringer & Scheidel OHG“. In jedem Fall erscheint Heinrich Scheidel nun endlich auch auf dem Firmenschild. Der Schritt ist überfällig: Familie und Unternehmen sind bei Diringer & Scheidel ohnehin nur schwer zu trennen. Die Fami- lie, inzwischen um den 1947 geborenen Sohn Heinz angewachsen, wohnt gemeinsam unter einem Dach in der Maxstraße. Hier leben nicht nur die drei Generationen der Familie, das Wohnhaus ist weiter- hin die Heimat des Baugeschäfts: Die Geschäftsplanungen finden am Küchentisch statt. Franz Anton Diringer bringt seine ganze Erfahrung Die Baustellenschilder ziert nach dem Krieg nun ein neuer Name: Diringer & Scheidel.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Ein D&S-Trupp bei einer Baustelle für Schenker. 48 und seine ausgezeichneten Beziehungen in Neckarau mit ein, um das Geschäft wieder aufzubauen. Heinrich Scheidel blickt derweil schon weiter in die Zukunft: Er unterhält gute Kontakte zur Badischen Kom- munalen Landesbank, plant neue Investitionen und Anschaffungen. Die Zusammenarbeit zwischen beiden gelingt, auch weil der zuneh- mend von einem Herzleiden geschwächte Diringer weiß, dass er sei- nem Schwiegersohn hundertprozentig vertrauen kann. Und auch, weil es eine Dritte im Bunde gibt: Elisabeth Scheidel, geborene Diringer, kümmert sich nicht nur um die beiden kleinen Kinder. Sie unterstützt ihren Vater und ihren Ehemann im kaufmännischen Bereich, verwaltet die privaten Finanzen und Bauvorhaben der Familie, ist gleichzeitig aber auch die erste Anlaufstelle für die Sorgen und Nöte der Arbeiter und ihrer Familien. Der junge Heinz Scheidel ist schon früh auf der Baustelle dabei.

NEUE HEIMAT, NEUES ARBEITEN A nfang der 1950er Jahre: Die Maxstraße, das Wohnhaus der Fa- milie und gleichzeitig Büro der Firma, platzt aus allen Nähten. Das Unternehmen ist inzwischen auf über 100 Beschäftigte ange- wachsen, neue Mitarbeiter sind an allen Ecken und Enden nötig, auch für Büroarbeiten. Ein Neubau ist unvermeidlich. Ab 1953 entsteht so in nur neun Monaten auf dem bisher vor allem als Lagerplatz genutz- ten Gelände in der Wilhelm-Wundt-Straße ein neues Wohnhaus für die Familie, das auch ausreichend Platz für gesonderte Büroräume bietet. Zusätzlich werden in den nächsten Jahren Flächen rund um den Bau- hof aufgekauft und das Gelände Stück für Stück erweitert. Die Entwicklung ist kein Zufall. Mit der Währungsreform beginnt ein regelrechter Bauboom in Mannheim, der sich über die nächsten Jah- re fast ungebremst fortsetzt. Der Bedarf vor allem im Wohnungsbau ist eklatant. Mit einer Belegungsdichte von 2,05 Personen pro Wohn- raum liegt Mannheim 1949 fast 70 Prozent über dem Vorkriegsniveau. 1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ 49 Richtfest in der Wilhelm-Wundt-Straße, 1953.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Die Bauten sind immer größer geworden und der Maschinenpark ist immer größer geworden. Und wir hatten immer die modernsten Maschinen, das war immer ein Vorteil. Roland Sammler, Polier im Hochbau seit 1955 52 D&S baut weiterhin zahlreiche Wohnhäuser, hier im Quadrat C 1, die nach und nach die Wohnungsnot lindern. Neben den Kriegszerstörungen kommt noch hinzu, dass sich zahl- reiche Neuankömmlinge in der Stadt einfinden: 1955 werden 27.000 „Heimatvertriebene“ aus den ehemaligen Ostgebieten und 12.000 Flüchtlinge aus der DDR gezählt. Wo noch unbeschädigter Wohnraum zur Verfügung steht, wie in Käfertal, Feudenheim oder Seckenheim, requirieren zudem die US-Streitkräfte seit Kriegsende über 9.000 Wohnungen als Unterkünfte für ihre Truppen. In diesem Wachstum ist Diringer & Scheidel mittendrin – und stößt da- bei in neue Sphären vor. Die Firma stemmt immer größere Projekte, die nun auch über Neckarau hi- nausgehen. Große Wohngebäu- de in der zerstörten Mannheimer Innenstadt stehen genauso auf dem Programm wie Kasernen für die amerikanischen Truppen in der Käfertaler Garnison. Für solche Projekte braucht es nicht nur mehr Mitarbeiter und Material, sondern auch neue Technik: 1954 wird der erste eigene Turmdrehkran der Firma gekauft, ein Wetzel-Kran aus D&S WÄCHST ÜBER NECKARAU HINAUS Interview mit Roland Sammler (†)

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ Mannheim mit 16 Metern Ausladung. Es ist der Auftakt für eine schnell fortschreitende technische Aufrüstung: Noch im selben Jahr wird ein Seilbagger – ein Krupp-Dolberg D300 – angeschafft, schon drei Jah- re später setzt Diringer & Scheidel dann als erstes Bauunternehmen in Mannheim einen Hydraulikbagger (den Liebherr A350) ein. 1956 werden bei der Unternehmensaufgabe eines Konkurrenten noch zwei weitere Turmdrehkrane mit 14 Meter-Auslegern übernommen. Und natürlich gibt es auch immer wieder neue Krane, Lkws, Bagger und Laderaupen – eine Entwicklung, die sich bis heute fortsetzt. Der neue Bauhof wird so zur Basis für eine Erweiterung der techni- schen Möglichkeiten der Firma – auch wenn sich die damaligen Ge- räte aus heutiger Sicht oft noch als recht unkomfortabel erweisen: „Zu der Zeit war im Kran noch keine Klimaanlage. Da war ich in der Bade- hose gesessen und der Schweiß lief – das Blech war so heiß hüben wie drüben. In den ersten war ja auch keine Sprechanlage, nichts, da war kein Stuhl drin. Da habe ich mir eine Bank gebaut, wo ich drauf gesessen habe“, erinnert sich Georg Haser an die schwierigen Be- dingungen. Auch sonst ist die Arbeit auf der Baustelle in diesen Tagen oft noch harte Handarbeit. Den wichtigsten Auftrag der 1950er Jahre verdankt die Firma aber nicht nur ihren technischen Neuerungen, sondern auch den alten Kontakten Franz Anton Diringers: Für die Isolation AG baut Diringer & Scheidel ab 1955 ein neues Walzwerk. Die Isolation AG, die schon seit der Jahrhundertwende in Neckarau zunächst Drähte, später auch Viele Arbeiten sind in den 1950er Jahren noch Schwerstarbeit. 53

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 54 Neue Nachbarn – die Amerikaner in Mannheim Bei ihrem Einmarsch in Mannheim stoßen die US-Truppen im März 1945 zunächst auf eine verunsicherte Bevölkerung, die unter dem Eindruck der Kriegserfahrungen mit Sorge auf die einrollenden Panzer blickt. Doch aus dieser ersten Begegnung als Gegner entwickelt sich bald ein ganz neues Verhältnis. Die US-Truppen besetzen die ehemaligen Wehrmachtska- sernen in der Stadt, errichten eigene Flugplätze, Depots und neue Kasernen. Mannheim und andere Städte werden zu wichtigen Stützpunkten im nun beginnenden Kalten Krieg. Über die nächsten fast 70 Jahre werden über 500.000 US- Soldaten und ihre Familien in die Stadt kommen. Sie brau- chen Wohnraum, aber auch eigene Schulen, Kirchen und Kinos. Für die Stadt werden sie als Arbeit- und Auftraggeber zum wichtigen Wirtschaftsfaktor. Und die Neuankömmlinge bleiben nicht nur unter sich. Das Verhältnis zu den Deutschen bessert sich schnell: Ame- rikanische GIs vergnügen sich in den neuen Jazzclubs in der Innenstadt und 1952 tritt sogar Louis Armstrong im Rosengarten vor begeistertem Publikum auf. Vor allem die deutschen Jugendlichen sind von der Kultur der Amerikaner fasziniert und interessieren sich schon bald vor allem für Jeans, Coca-Cola und Rock ‘n‘ Roll – manchmal auch zum Leidwesen ihrer Eltern. Aus ehemaligen Gegnern werden so über die Jahre Partner und Freunde, die mit gemeinsa- men Volksfesten, in Clubs und bei Sportturnieren ein neues Mannheim prägen. Baustelle für die Vereinigten Glaswerke Mannheim-Waldhof – die „Spiegelfabrik“, 1961. HAT DEN MUT ZUM ERSTEN SCHRITT HEINRICH SCHEIDEL spezialisierte Stahl- und Metall- produkte herstellt, ist einer der ältesten Kunden von Diringer. Doch auch nach vielen kleineren Bauten und Instandhaltungsmaß- nahmen für die „Isolation“ ist die- ser große Industriebauauftrag für Diringer & Scheidel nun ein Schritt ins Ungewisse. Und obwohl die Konkurrenz versucht, Zweifel an den Fähigkeiten der Neckarauer zu streuen, überzeugt der 40-jährige Heinrich Scheidel die Auftraggeber mit seinem Mut und seiner Kom- petenz. Das Walzwerk wird zur ersten großen Industriebaureferenz des Unternehmens und ist der Auftakt für mehrere wichtige Industrie- bauten in den nächsten Jahren. Auf dem Waldhof etwa baut Diringer & Scheidel ab 1960 neue Roh- bauten für die Vereinigten Glaswerke, die traditionsreiche „Spiegel- fabrik“. Der Auftrag beansprucht die Firma so stark, dass Heinrich Scheidel selbst gelegentlich mit Hand anlegen muss. Die erfolgreiche Baumaßnahme beschert ihm auch einen neuen Stammkunden: Einige Jahre später wird er mit Abrissarbeiten und Neubauten in der Arbei- tersiedlung der Glaswerke beauftragt – der berühmten „Spiegelko- lonie“, in der die Mannheimer Fußballikone (und Weltmeister-Trainer) Sepp Herberger aufwuchs.

Links: Schon in den 1950er Jahren baut D&S für das GKM über 70 Häuser für die Arbeiter in der „E-Siedlung“. Rechts: 1962 werden die Aufgaben größer – das neue GKM-Verwaltungsgebäude. 58 Eine andere langfristige Geschäftsbeziehung liegt aber noch näher: Vom Großkraftwerk Mannheim, dem direkten Nachbarn, wird Diringer & Scheidel nun nicht mehr nur für kleinere Bauaufträge herangezo- gen, sondern kann deutlich umfangreichere Projekte stemmen. 1962 erhält man den ersten Großauftrag für den Rohbau des neuen Verwal- tungs- und Sozialgebäudes. Doch auch auf diesen Bau folgen noch größere Aufgaben: Ab 1967 wird die Firma erstmals Teil einer Arbeits- gemeinschaft, die den Neubau des Kraftwerkblocks 4 umsetzt. Ab diesem Zeitpunkt ist D&S bei den Konstruktionen aller Kraftwerksblö- cke des GKM beteiligt, zuletzt beim Neubau des Block 9, einem der weltweit modernsten Kraftwerksbauten. All diese Entwicklungen erlebt Franz Anton Diringer nur noch in ihren Anfängen mit. Am 11. Oktober 1955 verstirbt der Firmengründer im Alter von 69 Jahren. In 34 Jahren hat er nicht nur ein Baugeschäft gegründet, er hat es auch durch Krisen und den Zweiten Weltkrieg geführt, es immer wieder neu aufgebaut und schließlich an eine neue Generation übergeben. Auch wenn sein Verlust schmerzlich für Fa- milie und Unternehmen ist: Die Zukunft der Firma, die seinen Namen trägt, liegt in guten Händen. Elisabeth und Franz Anton Diringer mit Enkel Heinz, ca. 1954.

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ Wenn ein Tausendfüßler mal ein Bein verliert oder krank ist, dann läuft er immer noch weiter. Motto von Heinrich Scheidel DIE GEBURT DES TAUSENDFÜSSLERS 59 Z ehn Jahre nach Kriegsende befindet sich die deutsche Wirt- schaft weiterhin mitten im Wirtschaftswunder – und die Bau- wirtschaft hat daran einen wichtigen Anteil. Die epochalen Aufgaben des Wiederaufbaus sorgen für reichlich Arbeit. Doch auch wenn der Aufschwung in dieser Zeit nahezu endlos scheint, will sich Heinrich Scheidel nicht mit seinen Erfolgen zufriedengeben. Immer wieder stellt er sich neuen Aufgaben und findet entschlossen Lösungen für auftauchende Probleme: Beim Bau des Walzwerks für die Isolation AG ist eine umfassende Wasserhaltung erforderlich. Als ein Brun- nenbauer aus dem nahegelegenen Friedrichsfeld Insolvenz anmel- den muss, übernimmt Scheidel deshalb kurzentschlossen einige Mitarbeiter und schafft gleichzeitig eigene Brunnenbaugeräte an – eine Investition, die neue Möglichkeiten für immer größere Bauvor- haben eröffnet. Mit dieser Mentalität geht er an all seine Projekte heran: immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung. Im Hintergrund muss ihn seine Frau gelegentlich etwas ausbremsen. „Meine Mutter war – auch im Positiven – etwas der Bremser“, erzählt Sohn Heinz Scheidel. „Mein Vater war euphorisch, der hat gesagt: ‚Was andere können, kann ich auch‘, und ist etwas schnell vorgegangen. Meine Mutter hat das immer ein bisschen zu- rückgehalten.“ Doch Heinrich Scheidel verfolgt einen Plan: Er möchte möglichst breit gestreutes Wissen und Kompetenzen in vielen Berei- chen des Baugewerbes aufbauen – und damit weitere Standbeine außerhalb der Hochbausparte. Er selbst spricht gern vom „Tausend- füßler“: Einzelne Krisen oder Schwankungen können einer breit auf- WAGEMUT MIT PLAN Interview mit Georg Haser (†)

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL gestellten Unternehmung weniger anhaben, so das Kalkül. Immerhin ist er das Kind einer Generation, die Kriege und Umbrüche immer wieder hautnah erleben musste und sich nun nach langfristiger Sta- bilität sehnt. Umso entschlossener macht sich Heinrich Scheidel also an die Ar- beit, um die Firma als das wichtigste Familienerbe auf ein sicheres Fundament zu stellen. Zunächst erfolgt der Ausbau von Kompetenzen vor allem noch im klassischen Hochbaugeschäft. Ab 1955 wagt Dirin- ger & Scheidel dann auch den Schritt in den Untergrund: Zum ersten Mal werden Aufträge im Tiefbau übernommen, zunächst im Kanalbau. Und der Mut zahlt sich aus: Schon 1957 erhält Diringer & Scheidel den Auftrag zum Bau einer neuen Fernwärmeleitung in Mannheim. Es ist der Auftakt zu einer Entwicklung, an deren Ende Diringer & Schei- del kein einfacher Hochbaubetrieb mehr ist, sondern eine Firma, die sich mit großen Baumaßnahmen über und unter der Erde für weitere Aufträge empfiehlt. 62 Mit neuer technischer Ausstattung wagt sich Diringer & Scheidel an immer größere Projekte.

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ 63 ZEICHEN DER ZUKUNFT – DIRINGER & SCHEIDEL IN DEN 1960er JAHREN M it seinen neuen Maschinen, immer größeren Bauprojekten und neuen Geschäftsfeldern ist Diringer & Scheidel zu Beginn der 1960er Jahre in vielen Bereichen schon auf dem Weg in die Zukunft. Und die Zeichen stehen weiterhin auf Wachstum: Inzwischen hat das Unternehmen über 250 Mitarbeiter. Der kaum zehn Jahre alte Büro- bau auf dem Bauhof platzt schon wieder aus allen Nähten – und wird 1964 kurzerhand um zwei Stockwerke aufgestockt. Gleichzeitig ist Di- ringer & Scheidel überall in Mannheim aktiv und prägt das Gesicht des neuen Mannheims mit – eine Leistung, an die sich auch Elisabeth Heffner gerne erinnert: „Die Fronleichnamsprozession ging immer durch den Lindenhof. Da habe ich zu den Kindern gesagt, was wir alles aufgestockt haben und was wir so gebaut haben. Auch in der Innenstadt haben wir viel gemacht. Das macht mich schon stolz.“ Mit besonderen Bauten wie einem der Eckhäuser am Friedrichsplatz trägt die Firma maßgeblich zum Stadtbild bei. Und auch in den Quadraten ist sie ab 1966 in N 7 mit dem Abriss und Neubau des Kaufhauses Vetter an einem besonders herausfordernden Projekt beteiligt. Auch auf anderen Feldern im Betrieb setzt jetzt eine neue Professio- nalisierung ein: Der kaufmännische Bereich ist bisher in vielerlei Hin- sicht noch „Handarbeit“ und liegt vor allem bei Elisabeth Scheidel. Sie braucht nun aber dringend Unterstützung und die findet sie in der eigenen Familie: Sie engagiert den Mann ihrer Cousine – einen er- fahrenen Kaufmann und Prokuristen bei einem großen Unternehmen. Gemeinsam mit ihm bauen die Scheidels ein professionelles kauf- männisches Controlling auf. Die Entscheidung erweist sich als weitsichtig. Zum einen für die Steuerung der immer komplexeren Aufträge, vor allem aber für eine nachhaltige Planung auch in ungewissen Zeiten: In den kommenden Jahren zeigen sich die ersten Risse in der Fassade des Wirtschafts- Man musste miteinander arbeiten. Wenn etwas angefallen ist, dann musste man es machen. Die Mutti hat viel für das Kaufmännische gemacht. Mein Vater hat viel für die Baustellen gemacht. Und donnerstagabends haben sie miteinander die Löhne (Mutter) und die Abrech- nungen (Vater) vorbereitet und so ist miteinander gearbeitet worden. Elisabeth Heffner, geb. Scheidel, über ihre Eltern

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 64 ZUR RICHTIGEN ZEIT PROFESSIONALISIERUNG wunders. Die Baubranche, die fast 20 Jahre von einer beispiellosen Hochkonjunktur profitiert hat, ist nun wieder Schwankungen unterwor- fen. Viele Betriebe, die in den Nachkriegsjahren unter der Leitung von tüchtigen Bauingenieuren oder Maurermeistern erfolgreich waren, geraten in dieser Situation in finanzielle Schwierigkeiten. Diringer & Scheidel hingegen ist für solche Fälle inzwischen breit aufgestellt und kann auch schwierige Jahre einigermaßen unbeschadet überstehen. Bei den gestiegenen Möglich- keiten und Kompetenzen ist es kaum überraschend, dass Dirin- ger & Scheidel mittlerweile auch über die Stadtgrenzen hinaus ak- tiv ist. Gerade größere kommunale Auftraggeber werden inzwischen auf die Mannheimer aufmerksam: 1964 erhält die Firma den Auftrag für einen großen Schul-Neubau in Speyer, später kommt noch eine angeschlossene Turnhalle dazu. Aus dem kleinen Baugeschäft für Rohbau und Sanierungsarbeiten ist endgültig ein regionales Schwergewicht geworden, das im Hochbau alle Herausforderungen bewältigen kann, aber auch zunehmend im Tief- und Rohrleitungsbau beachtet wird: 1961 baut Diringer & Schei- del eine große Wasserzubringerleitung aus Rheinau nach Neckarau und erhält ab 1962 erstmals feste Jahresverträge für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an Versorgungsleitungen in ganz Mannheim. Im Rohrleitungsbau wird Diringer & Scheidel samt Tochtergesellschaf- ten in Zukunft ein verlässlicher Vertragspartner für die Energiever- sorger – in Mannheim, der ganzen Rhein-Neckar-Region und später darüber hinaus: Im Rhein-Main-Gebiet, der Region Dessau-Leipzig, Berlin und in jüngster Zeit auch im Rheinland bauen Stadtwerke auf die Kompetenz der Mannheimer. Noch in den 1960ern wird sich Diringer & Scheidel zudem erfolgreich für ein weiteres Mammutprojekt unter der Erde bewerben: den Neu- bau eines zusätzlichen Kanalsystems für die Stadt Mannheim. Kanäle mit bis zu 2,70 Metern Durchmesser, gebaut in acht Metern Tiefe, stellen die noch relativ junge Tiefbausparte vor gewaltige Herausfor- derungen, bei denen man sich während der mehrjährigen Arbeiten in den 1970er Jahren erfolgreich beweisen kann. Aus dem einstigen „Neuankömmling Tiefbau“ wird so schließlich eine weitere tragende Säule von Diringer & Scheidel. N 7 – ein Grundstück, viele Geschichten Das prominente Grundstück in N 7 hat eine bewegte Vergangenheit. Während der NS-Herrschaft ist der jüdische Eigentümer Martin Wohl- gemuth starken Repressionen ausgesetzt und verkauft das Warenhaus mit dem charakteristischen Turm an die Familie Vetter. Es ist 1945 in den letzten Kriegstagen Schauplatz dramatischer Szenen: Adolf Doland und Erich Paul hissen hier die weiße Flagge vor den anrückenden Amerika- nern – und werden dafür noch am 28. März hingerichtet. Nach dem Krieg verläuft die Geschichte friedlicher. Für die Firma Vetter wird Diringer & Scheidel schon ab 1954 zum ersten Mal mit Umbau- arbeiten am „Kaufhaus Vetter“ tätig. Heinrich Vetter gibt sein Geschäft einige Jahre später auf, er bleibt jedoch Eigentümer des Gebäudes. Sein neuerlicher Auftrag stellt Diringer & Scheidel vor eine gewaltige Aufgabe: Innerhalb weniger Monate soll von 1967 bis 1968 das alte Gebäude abgerissen werden und ein komplett neues Parkhaus und Warenhaus für die Firma Horten entstehen – eine Mammutaufgabe, die Diringer & Scheidel in einer Arbeitsgemeinschaft in Angriff nimmt. Der damalige Bauleiter und spätere Geschäftsführer der Bauunternehmung, Albert Geschwill, hat zu dieser Zeit schon reichlich Erfahrung und stand schon beim Bau des Walzwerks an der Seite von Heinrich Scheidel. Doch die Baustelle in N 7 bleibt ihm in besonderer Erinnerung: „Ein enger Terminplan und we- nig Platz – die Nachbarhäuser ringsum, Tiefgründung zehn Meter unter dem Boden, Wasserhaltung. Die Häuser haben gewackelt. Da hatte ich viele schlaflose Nächte.“ Das Projekt beansprucht alle Kompetenzen von Diringer & Scheidel: Die Innenstadtlage, der tiefe Aus- hub, die Wasserhaltung und der moderne Stahlbetonbau sind ein echter Prüfstein. Doch das Projekt gelingt: Das neue Kaufhaus ist für viele Jahre als Horten, später als Galeria Kaufhof eine wichtige Adresse in der Mann- heimer Innenstadt. 2020 gibt Galeria-Karstadt den Standort schließlich auf, das Gebäude wird verkauft. Über 50 Jahre nach dem Bau ist Diringer & Scheidel wie- der beteiligt – aber in einer neuen Rolle: Das Unternehmen kauft das Ob- jekt selbst und beginnt als Bauherr mit einer kompletten Neugestaltung der geschichtsträchtigen Immobilie unter dem Projektnamen New7. EINE HERAUSFORDERUNG IN BESONDERER LAGE

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ Ich hab immer gern beim Scheidel geschafft. Man hat seine gewisse Freiheit, auch als Polier. Man konnte selbst mal was entscheiden, konnte sagen „Das machen wir so“. Das hat alles reibungslos geklappt. Roland Sammler 67 Sicherheit auf dem Bau? Früher waren die Bauarbeiter noch ohne Bauhelm und Sicherheitsausrüstung unterwegs. MUT UND VERTRAUEN – ARBEITEN IN DER „D&S-FAMILIE“ HEISST VERTRAUEN DAS ERFOLGSREZEPT Auch wenn Heinrich Scheidel in diesen Jahren unermüdlich auf den Baustellen zu finden ist und sich seine Neugierde für technische Neuerungen auf dem Bau bewahrt – die Firma ist längst zu groß ge- worden, um sich allein auf die fachlichen Kompetenzen ihres Chefs zu verlassen. Das Erfolgsrezept des Wachstums sind die Mitarbeiter. Heinrich Scheidel weiß sehr genau, wie wichtig seine Leute für ihn sind. Nicht nur wegen seiner freundlichen Art ist er bei den Mitarbei- tern beliebt, von denen ihn manche sogar scherzhaft „Papa“ rufen. Er ist für sie immer ansprechbar, hat ein offenes Ohr für Beschwerden und Nöte und drückt sogar ein Auge zu, wenn sich die Baggerfahrer für ihre Privatautos ab und an aus den Dieseltanks der Firma bedie- nen. Er stellt sich auch, wenn nö- tig, in Konfliktfällen schützend vor die Mitarbeiter. Dieses Vertrauen ist charakteristisch für Scheidel. Denn genauso wie er selbst immer gewillt ist, neue Herausforderungen anzugehen, traut er auch den Mit- arbeitern zu, neue Fähigkeiten zu erlernen. „Da hat es geheißen: Du, Dieter, du gehst heute mal mit dem und guckst mal. So hat man die Sachen gelernt: Baggerfahrer, Rohrleitungsbau, Zimmerei, Kranfah- rer. Hat wirklich Spaß gemacht in jungen Jahren“ erzählt etwa Dieter Lacroix, der 1958 ins Unternehmen eintritt und später Polier wird. Die Mitarbeiter zahlen ihm das Vertrauen mit viel Einsatz und Loyalität zurück. Georg Haser erinnert sich an besonders geschäftige Phasen: „Ich habe fast jede Woche Überstunden gemacht. Meine Tochter, die hat mich kaum gekannt. Wenn ich abends heimkam, hat sie geschla- fen und wenn ich morgens fort bin, um fünf Uhr schon meistens, da hat sie immer noch geschlafen.“ Dabei ist Arbeit auf dem Bau damals oft noch echte Knochenarbeit. In der Baubude steht wie selbstver- ständlich eine Kiste Bier für die Mittagspause. Helmpflicht, Sicher-

heitsschuhe und sonstige Sicherheitsvorkehrungen setzen sich erst langsam durch. Bei Schlechtwetter muss die Arbeit noch ausfallen, was für die Arbeiter auch heißt, dass sie entlassen werden, keinen Lohn bekommen und „stempeln gehen“ müssen; das Prozedere der Ab- und (Wieder-) Anmeldungen ist in dieser Zeit für beide Seiten äu- ßerst mühsam. Erst ab 1957 zahlt das Arbeitsamt Schlechtwettergeld an die Bauunternehmen, die so die Bauarbeiter auch bei Arbeitsaus- fall direkt weiterbezahlen können. Dass es bei Diringer & Scheidel trotz der damaligen Bedingungen nur sehr selten zu schweren Unfällen kommt, ist auch ein Ausdruck einer besonderen und bis heute bestehenden Mentalität im Unternehmen. Selbst mitten im aufgeheizten Bauboom der 1950er Jahre lässt Hein- rich Scheidel keine Nachlässigkeiten zu – so freundlich er im Umgang ist, so penibel ist er bei der Qualität der Arbeiten. Sein Motto ist, die Dinge nicht nur richtig zu machen, sondern sie noch besser zu ma- chen. Diesen Anspruch vermittelt er auch seinen Mitarbeitern. In Mannheim und der Region eine feste Größe: Das nördliche Eckhaus am Friedrichsplatz ist ein prägnantes Beispiel dafür. 100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 70 „Gastarbeiter“ bei Diringer & Scheidel Das neue Wohnheim direkt neben dem Bauhof. Die deutsche Wirtschaft boomt in den Nachkriegsjahren und bald werden vielerorts die Arbeitskräfte knapp. Gerade im Baugewerbe fehlt es an einfachen Arbeitern und Fachkräften. Die ersten auswärtigen Arbeiter für Diringer & Scheidel kommen schon direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Mannheim: Sogenannte „Heimatver- triebene“ aus den ehemaligen Ostgebieten, aber auch aus der sowjetischen Zone geflüchtete Arbeiter finden bei den Neckarauern eine Anstellung. In den ersten Tagen zimmern sie sich selbst Behelfsunterkünfte auf dem Bauhof. In den nächsten Jahren bleiben Arbeitskräfte bei den Auf- räum- und Aufbauarbeiten in Mann- heim immer Mangelware, doch in der Region gibt es noch verfügbare Arbeitskräfte. Das Unternehmen wirbt dort mit guten Löhnen um das knappe Personal. So rollen bald schon mehrere Busse von Diringer & Scheidel ins Umland: In die Pfalz, in den Odenwald und im Süden bis nach Wiesental fahren die Busse in einem regelrechten Linienbetrieb. Mittelfristig reichen solche Maßnahmen aber nicht aus, um den immer weiter steigenden Bedarf an Arbeitskräften im ganzen Land zu decken. So schließt die BRD in den 1950ern und 1960ern sogenannte Anwerbeabkommen mit Staaten wie Italien, Spanien oder der Türkei. Gerade Mannheim wird bald stark durch „seine Gastarbeiter“ geprägt – sind es 1958 gerade einmal 1.000 Italiener, die sich in der Stadt aufhalten, verzeichnet die Statistik ein Jahrzehnt später schon über 12.000 ausländische Arbeitskräfte aus den unterschiedlichsten Ländern. Bei Diringer & Scheidel wird in diesen Jahren nach den ersten Behelfsunter- künften schließlich ein eigenes Wohnheim für die „Gastarbeiter“ des Unter- nehmens direkt neben dem Bauhof eingerichtet, das bis heute besteht. Wer länger bleibt, findet mit Hilfe der Firma oft schnell eine Wohnung für sich und seine Familie. Der Umgang mit den Neuankömmlingen ist unkompliziert, selbst wenn die Verständigung oft nur mit Händen und Füßen gelingt. Unter den Bau- arbeitern stellt sich schnell eine große Solidarität ein, viele Kollegen bleiben bis zur Rente im Unternehmen.

1946 –1972 | ALLESKÖNNER UND „ALLES-MACHER“ 71 DIE NÄCHSTE DEN STARTLÖCHERN GENERATION STEHT IN Und Diringer & Scheidel bietet ihnen auch alle Möglichkeiten dazu, diesen Fortschrittsgedanken auszuleben: Der Fuhr- und Maschi- nenpark ist immer auf dem neuesten Stand der Technik. Dabei hat Heinrich Scheidel eine treibende Kraft hinter sich: seinen Sohn Heinz Scheidel. Seit jungen Jahren begeistert sich der jüngste Scheidel für das elterliche Geschäft und ganz besonders für die Maschinen auf dem Bauhof. Während Heinz Scheidel aufwächst, ist er immer wieder als „Tester“ bei den neuesten Geräten zu finden – und bringt dabei so manchen Handelsvertreter zum Schwitzen: Ein Daimler-Händler preist Heinrich Scheidel etwa ei- nen neuen Unimog-LKW an: „Mit dem kommen Sie überall durch, können Sie reinfahren, wo Sie wollen.“ Kurzentschlossen schnappt sich Scheidel Junior, der noch keinen Führerschein hat, die Schlüssel und stellt das Versprechen auf dem benachbarten Kraftwerksgelände auf die Probe. Als er schließ- lich zurückkommt, grinst er seinen Vater nur schelmisch an: „Ruft mal einen Autokran, die können den Unimog da unten wieder ausgraben.“ Heinz Scheidel wird das Unternehmen in den nächsten Jahren aber nicht nur mit seinem jugendlichen Eifer prägen. Sein Vater, der die Firma so erfolgreich weitergeführt hat, beginnt, auch den Sohn mehr und mehr in das Unternehmen einzubinden. Diringer & Scheidel hat sich zwar um ein Vielfaches vergrößert – doch die nächsten Heraus- forderungen stehen schon vor der Tür. Richtfest auf der charakteristischen Kuppel am Friedrichsplatz, 1962.

1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT Den Mut und das Nachvornegehen, das habe ich sicherlich von meinem Vater. Heinz Scheidel 77 AUFBRUCH INS ABENTEUER A n einem grauen Herbstmorgen Anfang der 1990er hebt gegen kurz nach halb sieben vom Flughafen Mannheim-Neuostheim ein Flugzeug ab. Der Flug ist nicht gerade komfortabel: Die Maschine wird von einem Piloten gesteuert, der sich rühmt, in dem als „Witwen- macher“ berüchtigten F-104 Starfighter das Fliegen gelernt zu haben. Dementsprechend liegt die Stimmung der meisten Insassen irgend- wo zwischen „Halbschlaf“ und „mürrisch“. Mit einer Ausnahme: Chef Heinz Scheidel, ausgemachter Frühaufsteher, ist bester Laune und erzählt schon Witze, um die Mitarbeiter aufzumuntern. Tatsächlich ist es schwer, sich seinem Elan zu entziehen. Denn Heinz Scheidel ist in seinem Element: Er ist unterwegs nach Dessau, um das bisher größte unternehmerische Projekt in der Geschichte von Diringer & Scheidel voranzutreiben. Es geht um den Aufbau eines komplett neuen Standorts in einer nahezu unbekannten Region. Die Chance ergibt sich mit der Wiedervereinigung. Die Neckarau- er zögern nicht lange, analysieren ganz konkret, welches Gebiet in Ostdeutschland der Rhein-Neckar-Region am ähnlichsten ist. Heinz Scheidel kennt die Gegend um Dessau bereits über persönliche Kontakte, die er reaktivieren kann. Schon in der Jahresmitte 1990 steht fest: In Dessau wird ein neuer Standort von Diringer & Scheidel entstehen. Doch neben den 500 Kilometern, die Dessau und Mann- heim voneinander trennen, gibt es noch so manche weitere Hürde, die das Unternehmen bei der Gründung der Hauptniederlassung überwinden muss. Es ist also ein großes Wagnis und ein erheblicher Kraftakt – aber eben auch ein Projekt ganz nach dem Geschmack von Heinz Scheidel.

1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT EINE NEUE EPOCHE BEGINNT D er Weg bis zum Flug nach Dessau beginnt gut 50 Jahre vorher mit einem ganz anderen Ausflug in luftige Höhen. Heinz Schei- del, 1947 geboren, ist kaum 3 Jahre alt und mit seinem Vater Heinrich in der Kirche – genauer gesagt auf einer Kirchenbaustelle. Mit dem kleinen Heinz im Arm erklimmt Heinrich Scheidel die Gerüstleitern bis zum Kirchturm, den seine Baufirma gerade wiederaufbaut. Stolz zeigt er seinem Sohn die Baumaschinen, Werkzeuge und die Aussicht über Neckarau bis Mannheim. Weniger erfreut zeigt sich die Mutter Elisabeth. „Da muss es einen ziemlichen Krach gegeben haben zwischen meinen Eltern“, erzählt Sohn Heinz mit einem Schmunzeln. Das Kleinkind auf den wackligen Leitern zu balancieren, alarmiert zwar die Mutter, begeistert aber den Sohn: „Mit den Baustellen bin ich groß geworden. Und da sind wir bis heute dabeigeblieben“, so Heinz Scheidel rückblickend. Aus der Begeisterung erwächst eine lebenslange Leidenschaft. Die kindliche Freude am Bauen und die Begeisterung für die Technik, für Baumaschinen, Bagger und allerlei Baugerät hat sich Heinz Schei- del erhalten. Noch heute stehen in seinem Büro Modelle von Bag- gern und Baukranen. Albert Geschwill, in den 1950ern selbst noch als junger Maurerlehrling in der Firma, erinnert sich an die frühesten „Arbeiten“ des Juniors: „Da hat er schon ein kleines Planierräupchen gehabt. Da ist er dann sogar mit rumgefahren. Das hat schon so kleinste Erdarbeiten machen können. Der war von Anfang an integ- riert.“ Was zunächst nur Spiel ist, entwickelt sich schnell zu den ersten Arbeiten weiter, die Heinz selbst übernimmt. Sein Vater betreut ihn als Sechsjährigen mit der Verwaltung der Metermaße. Gewissenhaft notiert Heinz, der gerade erst das Schreiben lernt, welche Kollegen ihre Metermaße schon abgeholt haben. …und gibt dieses Erbe später weiter: Scheidels Töchter Susanne und Sabine beim Bau des Reitplatzes Fohlenweide, 1978. 79 Heinz Scheidel ist ein Kurpfälzer. Die Kurpfälzer, das sind rechtschaffene Leute, sind begeisterungsfähig. Die sind bodenständig. Die sind manchmal ein bisschen schroff. Manchmal ein bisschen eigenwillig. Aber die haben das Herz auf dem richtigen Fleck. Traude Weber, ehemalige Sekretärin von Heinrich und Heinz Scheidel

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL In den nächsten Jahren wird er immer wieder nach der Schule und in den Ferien auf den Baustellen unterwegs sein. „Wenn eine Maschine gekommen ist, wer hat drin gehockt? Raten Sie mal, wer das war? Der war für alles interessiert, in den Lkw, Baggern, Raupen,“ erzählt Dieter Lacroix über Heinz Scheidel. Für die Arbeiter ist der Junge auf den Baggern bald ein selbstverständlicher Anblick, gelegentlich fahren sie ihn auch morgens zur Schule. Manchmal erlauben sie sich auch einen Scherz mit ihm, wie Kranführer Georg Haser, der Heinz eines Tages mit hoch in den Kran lässt: „Da hat er geschaut, wie das alles geht. Wir haben gerade betoniert. Dann habe ich nach unten gewunken, das Silo schnell aufzureißen: Da geht der Kran einen hal- ben Meter hoch!“, erinnert sich Haser lachend. „Er hat ja schon jede Maschine fahren können. Aber ein Kran… das war ihm dann doch zu gefährlich.“ Der Anblick eines Jugendlichen in schweren Baumaschinen ist nicht für alle Kunden immer selbstverständlich. Als Diringer & Scheidel 1962 das neue Sozialgebäude des benachbarten Großkraftwerks baut, wundert sich dessen Vorstand über den „jungen Kollegen“. Heinrich Scheidel wird zum Gespräch ins GKM gebeten, doch der Vater kann die Sorgen schnell zerstreuen, wie Heinz Scheidel erzählt: „Mein Vater hatte nie Bedenken. Das Baggern hatte ich ja mit 10 Jah- ren schon gelernt.“ Heinz Scheidels Lebensweg ist so fast schon vorgezeichnet. Wie sein Großvater und sein Vater vor ihm macht er nach der mittleren Reife eine Maurerlehre. Gleichzeitig bildet er sich in verschiedenen Inge- nieurs- und Architektenbüros weiter, bevor er schließlich in Karlsruhe das Diplom als Bauingenieur erwirbt. Mit gerade einmal 22 Jahren tritt er 1969 auch ganz offiziell in den Familienbetrieb ein. 80 Schon in jungen Jahren arbeitet Heinz Scheidel eng mit seinem Vater zu- sammen, hier bei einer jährlichen Betriebsver- sammlung.

1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT Mein Vater hat mir viel freie Hand gelassen. Er hat immer gesagt: ,Du kommst, wenn du mich brauchst.‘ Und: ‚Das kannst du.‘ Auch bei anderen: Er hat viel Vertrauen geschenkt. Heinz Scheidel VERTRAUEN UND VERÄNDERUNG 81 H inter dem Generationenwechsel, der sich langsam anbahnt, steckt allerdings mehr als Baggerfahrstunden für einen Min- derjährigen und ein großer Vertrauensvorschuss. Er ist vielmehr Aus- druck einer neuen Zeit: Heinz Scheidel ist der erste Ingenieur an der Spitze des Familienunternehmens. Aufgrund seiner Zusatzausbildung als Schweißfachingenieur kann er flexibel eingesetzt werden und be- treut zu Beginn etwa den noch jungen Tiefbau. Bei seinen zahlrei- chen Weiterbildungen geht es nicht nur um praktische, sondern auch um kaufmännische und soziale Kompetenzen. Mit Heinz Scheidel wächst so ein neuer Typ des Bauunternehmers heran, der umfang- reiche praktische und theoretische Kompetenzen mitbringt. Er ist der richtige Mann für ein Bauunternehmen, bei dem die Aufträge immer anspruchsvoller und komplexer werden und dessen Mitarbeiterzahl mittlerweile 400 beträgt. Seine erste echte Bewährungsprobe lässt nicht lange auf sich war- ten: Diringer & Scheidel erhält den Zuschlag für den Bau der Klär- anlage in einer Arbeit sgemeinschaft. Auf einen Schlag muss Heinz Scheidel als Oberbauleiter nun eine Großbau- stelle leiten, gespickt mit aufwän- digen Betonarbeiten. „Die Verantwortung gibt einem auch Ansporn, das auch zu lösen“, so Scheidel. „… und möglichst wenig zu fragen am Anfang. Man hat ja einen gewissen Stolz, Ausbildung und alles gemacht,“ fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Die Feuertaufe gelingt: Heinz Scheidel kann den anspruchsvollen Bauauftrag in in Bensheim EIN SPRUNG DIREKT INS TIEFE WASSER In den frühen 1970ern ist D&S auch im Brücken- und Straßenbau etabliert.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL An der Wilhelm-Wundt-Straße ist mittlerweile ein zeitgemäßes Bürogebäude für die stark gewachsene Firma entstanden. 82 Die komplizierten Betonarbeiten in der Kläranlage Bensheim sind eine erste Bewährungsprobe für Heinz Scheidel. Bensheim erfolgreich abschließen. So wird das Jahr 1972 zu einem echten Meilenstein in der Firmengeschichte. Nicht nur wird auf dem Bauhof wieder eine Erweiterung fällig – ein neuer, vierstöckiger Büro- bau entsteht neben dem schon wieder zu klein gewordenen alten Gebäude. Vor allem werden nun die beiden Scheidel-Kinder Heinz und Elisabeth als Teilhaber in die Firma mit aufgenommen; Heinz wird gleichzeitig offiziell in die Geschäftsführung berufen. Vater und Sohn, Heinrich und Heinz Scheidel, leiten das Unternehmen nun zusammen. Noch viele Jahre später, 1987, führt das offizielle Telefonverzeichnis des Unternehmens die beiden unter derselben Durchwahl – die Zukunft wird gemeinsam gestaltet. Michael Baumann, als Vorstand des Großkraftwerks lange ein wichtiger Geschäftspartner der Scheidels, erinnert sich: „Die beiden Herren, der Vater und der Sohn, sind damals immer gemeinsam aufgetreten und haben großen Wert drauf gelegt zu betonen, dass sie ein Familienbetrieb sind und dass sie sich alle einig sind.“ Diese Einigkeit ist auch Ergebnis einer über Generationen gelebten Familienkultur, in der Firma und Familie nicht zu trennen sind. „Bei den familiären Treffen waren Firma und Familie praktisch eins und da ist gesprochen worden über neue Aufträge, über neue Kontakte, über neue Maschinen, die man kauft – alles. Es ist alles in der Familie be- sprochen worden“, so Heinz Scheidel. Schon auf einem Rundschrei- ben zum 50-jährigen Jubiläum 1971 unterzeichnet die ganze Familie: Heinrich und Heinz Scheidel, Mutter Elisabeth Scheidel, geb. Diringer, und Tochter Elisabeth Heffner stehen zusammen für ihr Unternehmen. Und sie verzichten in typisch sachlicher Manier auf eine große Jubi-

Interview mit Elisabeth Heffner 1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT Elisabeth Heffner – seit 65 Jahren im Betrieb Das älteste Kind von Elisabeth und Heinrich Scheidel, Elisabeth, kommt im Jahr 1940 – und wie nahezu alle Scheidels – in Neckarau zur Welt. Ihre ers- ten Lebensjahre sind durch den Krieg geprägt, die Familie zieht aus Mann- heim in den weniger durch Luftangriffe bedrohten Odenwald. Nach Kriegsende beginnt Elisabeth schon als Kind im Familienbetrieb aus- zuhelfen. Zunächst erledigt sie nur kleinere Botengänge, doch später geht sie vor allem ihrer Mutter bei allen kaufmännischen Fragen zur Hand. 1955 tritt sie mit gerade einmal 15 Jahren fest ins Unternehmen ein und wird bald zur unersetzlichen Unterstützung. Als ihre Kuriergänge immer länger werden, lässt ihr Vater sie mit nur 17 Jahren den Führerschein machen – danach wird sie direkt ins kalte Wasser geworfen: „Wir haben einen VW-Bus gekriegt und standen draußen auf dem Bauhof mit dem Vertreter. Dann hat mein Vater zu mir gesagt: ‚Hier ist der Autoschlüssel, fahr‘ einmal allein durch Neckarau, da siehst du, wie groß er ist‘.“ Bald übernimmt Elisabeth Heffner, inzwischen verheiratet, den Einkauf der Firma, betreut die Hausverwaltung und kümmert sich um die Büroorgani- sation. Und auch Rainer Heffner, ihr Ehemann, der 2019 verstirbt, ist im Unternehmen tätig. Elisabeth unterstützt über viele Jahrzehnte ihren Bruder auf allen Ebenen: im kaufmännischen Bereich, als Teilhaberin des Unterneh- mens, aber auch privat als unermüdliche Organisatorin in der Reitgemein- schaft Mannheim-Neckarau e.V., die Heinz Scheidel mitgründet. Auch Heinz Scheidel weiß das zu würdigen: „Dass man den Familienbetrieb lebt und schätzt und das auch an die Angestellten weitergibt, diesen Part hat meine Schwester zu großen Teilen übernommen.“ 2020 feierte sie ihr 65-jähriges Jubiläum im Unternehmen – aber an Ruhe- stand verschwendet sie keinen Gedanken: „Was soll ich die ganze Zeit über zu Hause?“, so Elisabeth Heffner. 83

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 84 Kläranlage Bensheim. läumsfeier – stattdessen wird den 400 Beschäftigten eine großzügige Gratifikation, abhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit, ausgezahlt. Nicht nur das Unternehmen wächst, auch die Familie selbst kriegt in dieser Zeit Zuwachs. Karlheinz Heffner, der Sohn von Elisabeth und Rainer Heffner, kommt 1964 zur Welt, 1968 folgt seine Schwester An- nette. Und bereits mit 23 Jahren heiratet Heinz Scheidel 1970 seine Frau Eva. Sie teilt mit ihm die Begeisterung für Pferde und die Reiterei und steht ihm seither mit ihrem Rat zur Seite. Bald schon dürfen sich beide über Nachwuchs freuen: 1972, 1973 und 1975 werden die drei Töchter Simone, Sabine und Susanne geboren. Die fünf Enkel von Eli- sabeth und Heinrich Scheidel werden in den nächsten Jahrzehnten, wie in der Familie üblich, mit dem Unternehmen aufwachsen. Trotz dieser Kontinuitäten setzt aber auch ein gewisser Wandel ein. „Juniorchef“ Heinz Scheidel bringt neue Impulse ein. Nicht nur seine Begeisterung für Baumaschinen aller Art wird in den nächsten Jah- ren prägend für das Unternehmen. Er beginnt auch, dem stark in alle Richtungen gewachsenen Bauunternehmen eine Struktur zu geben. Heinz Scheidel baut eigenständige Abteilungen in den verschiede- nen Bausparten auf, engagiert Fachleute als Abteilungsleiter und richtet das Unternehmen so auf planmäßiges, nachhaltiges Wachs- tum aus. Denn auch in der Bauwirtschaft beginnt eine neue Epoche. Betonage der Bodenplatte in Bensheim.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 86 Konkurse macht man immer freitags. Und montags waren wir dann unter Lohngarantie bei Scheidel. Willi Hofstetter, ehemaliger Geschäftsführer bei Grimminger EIN TURBULENTES WOCHENENDE W illi Hofstetter reibt sich die Schläfen. Der Geschäftsführer des Heidelberger Bauunternehmens Grimminger sitzt im Foyer der Badischen Kommunalen Landesbank und wartet auf schlechte Nach- richten. Denn er weiß sehr wohl, wie es um sein Unternehmen steht: Seine 120 Mitarbeiter kann er kaum bezahlen, selbst das Haus seiner Familie steht auf dem Spiel – ihr ganzes Vermögen steckt in der Firma. Die letzte Chance für den 41-jährigen ist ein Kredit seiner Hausbank, um das Unternehmen vor dem Konkurs zu bewahren. Die Notlage kommt nicht plötzlich: Die Jahre des Wirtschaftswunders sind vorbei – und damit auch die langanhaltende Blütezeit der Bau- wirtschaft. Hofstetter, der das Baugeschäft seines Schwiegervaters weiterführt, muss seit einiger Zeit erkennen, wie das Unternehmen trotz aller Bemühungen immer weiter rote Zahlen schreibt. „Mein Schwiegervater, das war ein sehr guter Baumeister, aber ein weni- ger guter Kaufmann“, erklärt er ernüchtert. Einen Teil seiner Beleg- schaft hat Hofstetter schon entlassen müssen. Und obwohl sich die Auftragslage etwas bessert, ist auch klar: Ohne frisches Kapital wird Grimminger nicht mal mehr eine Gartenlaube bauen können. Das ernste Gesicht des Bankers, der schließlich an ihn herantritt, verrät Hofstetter aber die bittere Entscheidung: Grimminger muss 1973 Kon- kurs anmelden. Doch Rettung kommt von unerwarteter Seite: Diringer & Scheidel erfährt über die gemeinsame Hausbank vom Konkurs der Heidelberger und handelt entschlossen. Noch am Wochenende wird mit der Bank verhandelt. Hofstetter erinnert sich: „Herr Scheidel hat gesagt: ‚Ich übernehme das alles, aber ich will die guten Leute. Und damit die guten bleiben, müssen sie anständig bezahlt werden.‘“ Die

1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT Mit einem Rundschreiben stellt sich Diringer & Scheidel nach der Übernahme der Firma Grimminger deren Kunden vor. 87 Die Bauwirtschaft in der Krise Die Bauwirtschaft ist traditionell starken Konjunkturschwan- kungen unterworfen. Dieser Rhythmus wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst unterbrochen: Bis in die 1970er erlebt die Branche eine Wachstumsphase, die durch den Wiederaufbau, den wirtschaftlichen Aufschwung und die hohe Nachfrage nach Wohnraum gekennzeichnet ist. Dann verlagert sich der Schwerpunkt auf die Instandhaltung und Erneuerung der Städte. Das Abflauen der wirtschaftlichen Entwicklung und Schocks wie die Ölpreiskrisen 1973 und 1979 werden bald auch auf dem Bau spürbar. Spätestens in den 1980ern beginnt ein ausgeprägter Abschwung: Allein zwischen 1980 und 1985 geht die Anzahl der Beschäftigten in der Branche von 1,26 Millionen auf 961.000 zurück – ein Rückgang um 24 Prozent. Der Anteil der Bauinvestitionen am Bruttoinlands- produkt sinkt bundesweit von 19 % im Jahr 1960 auf rund 12 % bis 1990. Insbesondere kleine und mittlere Bauunter- nehmen geraten so in Schwierigkeiten. Mit der Wiederver- einigung scheint sich die Branche Anfang der 1990er dank großer Investitionen in den neuen Bundesländern zu erholen – doch die nächste Krise folgt schon wenige Jahre später. Während der Ölpreiskrise kommt es zu Fahrverboten – zumindest im Motorbetrieb.

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Mit immer neuen Fahrzeugen und Geräten ist D&S mittlerweile in der ganzen Rhein-Neckar-Region unterwegs. 88 EINE FAIRE GESTE Scheidels wissen genau, dass der Wert von Grimminger nicht im in die Jahre gekommenen Fuhrpark und den Grundstücken des Bauhofs liegt. Vielmehr kaufen sie die Kompetenz der Mitarbeiter – und natür- lich den Zugang zur Kundschaft in Heidelberg. Dementsprechend fair zeigen die Mannheimer sich bei der Übernahme: Alle Mitarbeiter wer- den zu ihren bisherigen Konditio- nen übernommen, Willi Hofstetter und seine Frau erhalten eine An- stellung bei Diringer & Scheidel und sogar ein privates Darlehen von der Firma, um ihr Haus behalten zu können. Noch vor Geschäftsbe- ginn am Montag ist der Deal in trockenen Tüchern. Die Entscheidung ist zwar kurzfristig, aber keineswegs überhastet. Di- ringer & Scheidel ist schon länger bemüht, in Heidelberg nach bisher eher vereinzelten Aufträgen nun stärker Fuß zu fassen; im Neuenhei- mer Feld etwa baut die Universität zahlreiche neue Institute. Als sich die Firma wenige Wochen später in einem Rundschreiben bei den Kunden der Firma Grimminger vorstellt, betont sie deshalb: „Um die- sen [Heidelberger] Mitarbeitern einen Arbeitsplatz im Heidelberger Raum zu gewährleisten, müssen wir uns verstärkt bemühen, Arbeiten in diesem Raume durchzuführen.“ Und macht gleichzeitig klar, dass sie für Aufträge jeder Art gewappnet ist: „Unsere Firma ist personell und auch maschinell so ausgestattet, dass wir in der Lage sind, Bau- vorhaben jeder Größenordnung auszuführen.“ Trotzdem ist es ein gewaltiger Schritt für das Unternehmen: Mit fast 100 Mitarbeitern ist es die erste große Übernahme von Diringer & Scheidel. Gleichzeitig ist es der erste Standort außerhalb Mann- heims. Und das Kalkül geht auf: In den nächsten Jahren wird sich Diringer & Scheidel immer wieder erfolgreich an den großen Klinik- bauten im Neuenheimer Feld beteiligen. Und auch in Heidelberg ist der Tief- und Rohrleitungsbau sofort ein wichtiger Baustein: Mit den Stadtwerken Heidelberg beginnt Diringer & Scheidel eine langfristige Geschäftsbeziehung und schließt in den nächsten Jahren Aufträge im Rohrleitungsbau für Fernwärme, Gas- und Wasserversorgung ab.

1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT WACHSTUM STATT STAGNATION – „ÜBERNEHMEN, STATT ÜBERNOMMEN ZU WERDEN“ G rimminger ist nicht das einzige Bauunternehmen, das zu dieser Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Die schwache Kon- junktur führt zu einer Phase der Konsolidierungen und Übernahmen. Eigentümergeführte, kleinere Betriebe verschwinden zunehmend von der Landkarte – auch wenn sie nicht um das wirtschaftliche Über- leben kämpfen. In Neckarau überlegt sich die Familie Scheidel am Mittagstisch, wie sich dieses Schicksal abwenden lässt. So entsteht ein Plan. Das Ziel muss sein, weiter zu wachsen: Übernehmen, statt übernommen zu werden. Die Entscheidung ist mutig, denn immerhin steckt das eigene Unter- nehmen auch in der Konjunkturflaute. Die Mitarbeiter müssen einige schmerzliche Nullrunden beim Gehalt hinnehmen, auch Entlas- sungen lassen sich nicht immer verhindern. Doch die Chefs den- ken langfristig. Diringer & Scheidel übernimmt in den nächsten Jah- ren immer wieder verschiedene Mitbewerber, vor allem bei Insolven- zen. Kurzfristige Rendite ist so kaum zu machen, doch darum geht es auch nicht. „Bei uns wird langfristig entschieden und nicht kurz- fristig. Wir denken in Generationen. Es muss nicht jetzt gleich der gro- ße Gewinn da sein, sondern nachhaltig muss es sein“, betont Heinz Scheidel noch heute. Immer wieder werden so vor allem besonders TROTZ KRISE DENKT D&S VORAUS 93 Nach dem Kriegsbauboom gerieten viele kleine und mittlere Bau- unternehmen in Schwierigkeiten, weil sie nicht kaufmännisch geführt wurden. Als das Bauvolumen zu- rückging, habe ich mir ein neues Motto zurechtgelegt: Übernehmen, statt übernommen zu werden. Heinz Scheidel

100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 94 Eine Neckarauer Institution: die Firma Noll 1796 wird erstmals ein Maurermeister Noll in Neckarau erwähnt. Seine Nach- fahren führen den Betrieb fort, bauen ihn kontinuierlich aus und gehören zu den angesehensten Bürgern Mannheims. Franz Anton Noll, Pate und Mentor des jungen Franz Anton Diringer, ist lange Mannheimer Stadtverordneter. Das Unternehmen wächst über die Jahre zur wichtigsten Baufirma in Mannheim und Neckarau heran, das 1899 ein- gemeindet wird. Noll unterhält eigene Ziegeleien, die während der Industriali- sierung hunderttausende Ziegel für die überall entstehenden Fabriken liefern. In ihren besten Zeiten beschäftigt die Firma bis zu 700 Mitarbeiter. Auf die Erfolge folgt allerdings ein langer Niedergang: 1982 hat Noll noch ca. 100 Mitarbeiter und wird schließlich aufgekauft. Eine fast 200-jährige Geschichte endet zwei Jahre später endgültig, als der Betrieb vollstän- dig in die Diringer & Scheidel Bauunter- nehmung überführt wird.

1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT 95 motivierte Mitarbeiter übernommen – oder ganz gezielt Experten für bestimmte Bereiche „eingekauft“. Mitarbeiter von Firmen aus Mann- heim, Heidelberg und Brühl werden so in das Unternehmen integriert – mit einer gezielten Personalübernahme aus der Brühler Firma Langlotz wird etwa die Sparte des Straßenbaus ausgebaut. Eine dieser Übernahmen sticht allerdings hervor: 1982 übernimmt Diringer & Scheidel die Firma Noll – dieselbe Firma, in der Firmen- gründer Franz Anton Diringer einst seine Maurerlehre absolviert hatte und die viele Jahre unbestrittener „Platzhirsch“ im Neckarauer Bau- gewerbe war. Albert Geschwill, damals technischer Leiter bei Diringer & Scheidel, erinnert sich: „An dem Tag, als wir zu Noll ins Büro sind, der Scheidel Senior, der Junior und ich – da war der alte Herr Scheidel stolzgeschwellt.“ Die Übernahme von Noll ist ein beachtlicher Erfolg für den jüngeren Neckarauer Konkurrenten. Doch das Noll’sche Schicksal wirft auch Fragen für die Zukunft der eigenen Firma auf: Warum scheitert ein Betrieb nach fast 200 Jahren? Ein Blick auf die Organisation, Führung und Kultur gibt die Antwort: „Der letzte Geschäftsführer von Noll, wenn der eine neue Schreibmaschine gebraucht hat, musste er quasi erst den Familienrat zusammen- rufen. So kann man kein Geschäft führen,“ erläutert Albert Geschwill. Tradition war bei Noll mehr und mehr gleichbedeutend mit Stillstand geworden, für Diringer & Schei- del eine deutliche Mahnung: Veränderung und Anpassung gehören zum Geschäft dazu. Für den Moment kann man in der Wilhelm-Wundt-Straße mit Stolz auf die Erfolge blicken. Über Noll hat die Firma nun neue Kontakte, zum Beispiel zum Theresienkrankenhaus in Mannheim, und wird dort bald mit umfassenden Umbauarbeiten beauftragt. Die Baubranche steckt zwar Mitte der 1980er immer noch in einer schwierigen Phase, aber Diringer & Scheidel hat seinen Platz behauptet. EIN ALTER KREIS SCHLIESST SICH Interview mit Albert Geschwill

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Wo man fährt, hat man Schilder von Diringer & Scheidel gefun- den. Dieses charakteristische Logo und diese Farbe, ein ganz spezielles Grün in Verbindung mit einem ganz speziellen Gelb, das fällt auf. 96 Michael Baumann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender Grosskraftwerk Mannheim EINE MANNHEIMER MARKE – BAUEN IN DER REGION Die Übernahme von Noll ist für Diringer & Scheidel zwar ein be- sonderer Moment: Der Kreis, der mit der Lehrlingszeit von Franz Anton Diringer begonnen hatte, schließt sich über 80 Jahre später. Doch tatsächlich ist das Unternehmen schon davor längst in der ersten Riege der Mannheimer Bauunternehmen angekommen. Die planvolle Expansion, die nun vor allem von Heinz Scheidel voran- getrieben wird, trägt Früchte. Der prägnante „D&S“-Würfel prangt in- zwischen auf zahllosen Bauzäunen, Maschinen und Kranen in der ganzen Region. Auch abseits der Übernahmen entwickelt sich das Unternehmen weiter. Schon in den 1970ern baut Diringer & Scheidel eine Abtei- lung für schlüsselfertiges Bauen auf, die schnell erfolgreich wird. Im klassischen Baugeschäft werden derweil große Aufträge wie Kran- kenhausbauten in Schwetzingen, Worms oder für das Klinikum in Meilenstein für D&S: der Museumsbau Technoseum Das Technoseum gehört zu den großen kulturellen Einrichtungen Mannheims und ist neben den Reiss-Engelhorn-Museen und der Kunsthalle ein weiterer wichtiger Museumsbau von überregionalem Rang. Es zieht jährlich fast 200.000 Besucher an, die auf über 9.000 m² Ausstellungsfläche die Technik- und Industrialisierungsgeschichte des Südwestens erleben können. Bekannt ist das Technoseum vor allem für seine über 100 Experimentierstationen, die eine Interaktion mit den Besuchern ermöglichen – ein Novum zur Zeit der Eröffnung 1990. Architektonisch ist das Technoseum am Museumskonzept angelehnt: Das Tragwerk ist wie bei einem veredelten Rohbau von außen zu erkennen. Die einzelnen Stockwerke wirken wie schiefe Ebenen in einer Art Raum-Zeit-Spirale. Das entspricht einer Einladung an den Be- sucher, durch die Sozial- und Industriegeschichte des deutschen Südwestens zu wandern.

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1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT Bei der Einfahrt nach Mannheim begrüßt Besucher zwischen 1986 und 1988 die Großbaustelle des damaligen Landesmuseums für Technik und Arbeit (heute Technoseum). 97 IN DER REGION EINE FESTE GRÖSSE Mannheim routiniert abgewickelt. Am Bau des neuen Mannheimer Kanalsystems in bis zu acht Metern Tiefe und mit Kanälen mit einem Durchmesser von bis zu 2,70 m ist das Unternehmen über ein Jahr- zehnt lang maßgeblich beteiligt. Projekte für wichtige Großkunden wie die Inter-Versicherung festigen die Position der Firma. Und auch der Bauhof, inzwischen auf über 25.000 m² angewachsen, wird immer wieder erweitert. Gerade aufgrund der unerschöpflichen Technikbegeisterung von Heinz Scheidel ist er immer mit den neu- esten Maschinen und Geräten bestückt. Das Ansehen, das Diringer & Scheidel in Mannheim mittlerweile ge- nießt, wird auch bei öffentlichen Projekten sichtbar: D&S wird feder- führendes Bauunternehmen in der Arbeitsgemeinschaft, die über 40 Jahre nach der Zerstörung des „Alten Kaufhauses“ am Paradeplatz bis 1991 das neue Stadthaus in N 1 errichtet. Ausgerechnet ein an- deres Prestigeprojekt in Mannheim demonstriert aber, wie schwierig die Lage in der Baubranche immer noch ist: 1986 beginnt Diringer & Scheidel in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Hanauer Firma Dressler mit dem Bau des Landesmuseums für Technik und Arbeit – dem heuti-

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1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT In Mannheim-Rheinau wird in den 1980er Jahren von D&S ein komplettes Wohngebiet erschlossen, entwickelt und realisiert. 99 HINSCHMEISSEN KOMMT NICHT IN FRAGE gen Technoseum. Der Auftrag für das markante Museum, geplant von der Berliner Architektin Ingeborg Kuhler gemeinsam mit dem Land- schaftsarchitekten Jürgen Zilling, wird vom Land Baden-Württemberg ausgeschrieben. Kostenpunkt für das Gesamtprojekt sind stolze 110 Millionen DM, von denen für den Rohbau durch die Arbeitsge- meinschaft, der Diringer & Schei- del angehört, allein 28 Millionen vorgesehen sind. Doch der hohe Preis ist trügerisch: Die Herausfor- derungen für den Bau sind enorm, die Gewinnspanne niedrig. Im Mai 1987 folgt dann die Hiobsbotschaft – die Partnerfirma Dressler, eine der größten Baufirmen Hessens, muss Konkurs anmelden. In Neckarau ist nun klar: Der Auftrag wird ein Verlustgeschäft. Aber Diringer & Scheidel weiß um die eigene Verantwortung für die Region und das Stadtbild, das die Neckarauer mitprägen, und macht kur- zerhand aus der Not eine Tugend: Aus den Resten der Firma Dress- ler entsteht in Hanau die erste D&S-Niederlassung im Rhein-Main- Gebiet. Auch die 40 Mann starke Dressler-Mannschaft beim Landes- museum wird komplett übernommen, der Bau in Eigenregie weiter- geführt. Heinrich und Heinz Scheidel bemühen all ihre Kontakte bis hin zu Ministerpräsident Späth, um mehr Unterstützung für das Bau- vorhaben einzuwerben. 1990 wird das Museum fertiggestellt und wirt- schaftlich kommt Diringer & Scheidel letztlich noch einmal mit einem blauen Auge davon. Dafür ist das neue Museum architektonisch und bautechnisch ein Erfolg auf ganzer Linie.

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1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT Auf historischen Spuren: das KEPLER-QUARTIER Als in den späten 1970ern Diringer & Scheidel-Bagger am Mannheimer Hauptbahnhof rollen, ist noch nicht abzusehen, dass sie damit eine Tradition begründen. 40 Jahre später wird die Un- ternehmensgruppe hier mit dem KEPLER-QUARTIER ein neues Kapitel aufschlagen. Zunächst geht es am Areal neben den Gleisen aber bescheidener zu: Diringer & Scheidel ist an vorberei- tenden Erdarbeiten für das große Brief- und Paketzentrum der Deutschen Post beteiligt, 1984 sind die Neckarauer auch beim Hochbau im Einsatz. Doch die Ära der Post am Bahnhof endet 30 Jahre später. Um eine neue Nutzung für das riesige, städtebaulich bedeutsame Areal wird lange gerungen, wie Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz erklärt: „Die Entwicklung des Kepler-Quartiers ist ein ganz wichtiger Stadtbaustein für Mannheim. Lange Zeit tatsächlich ein hochproblematisches Projekt, das nicht vorangegangen ist - mit verschiedenen Investoren, die das nicht realisiert haben.“ Diringer & Scheidel, das mit der Planung das Architekturbüro Schmucker und Partner beauf- tragt, übernimmt schließlich die Projektentwicklung, Vermarktung, Realisierung sowie danach auch den Hotelbetrieb, die Immobilienverwaltung und das Gebäudemanagement selbst. Das neue Quartier erstreckt sich über ein nördliches und südliches Carré mit einer Spielstraße da- zwischen. Es entstehen 15.000m² Bürofläche, 169 Eigentumswohnungen, 40 Apartments, das neue Hilton Garden Inn Mannheim und eine Tiefgarage mit 400 Stellplätzen. Der 13-geschossi- ge Hotelturm des Hilton Garden Inn bildet städtebaulich den bis dahin fehlenden südlichen Hochpunkt am Bahnhofsvorplatz. Mit der zudem durch D&S hergestellten, verlängerten Kepler- straße sind auch die verkehrlichen Wege zum Bahnhof und zur Schwetzingerstadt neu geordnet und das „Nadelöhr“ Willy-Brandt-Platz entlastet. Zugleich erweitert das KEPLER-QUARTIER die Schwetzingerstadt konsequent in Richtung Bahnhof. Die Blockrandbebauung nimmt die typische Mannheimer Innenstadtarchitektur auf und bietet im Innern Raum für drei geschützte Gartenhöfe. So entsteht Stadtgrün, wo lange Beton vorherrschte. Bei allen Neuerungen bleibt aber auch eine Spur der Vergangenheit erhalten: Insgesamt drei historische Eingangsportale der Post werden bei den Bauarbeiten sorgfältig abgebaut und schließlich als Blickfang in die moderne Fassade integriert. Für OB Kurz ein rundum gelungenes Projekt: „Gebaut wurde mit einer Aufnahme sowohl der Historie wie auch der Platzgestaltung am Willy-Brandt-Platz. Diringer & Scheidel hat dieses Projekt, glaube ich, herausragend entwickelt, mit einem klar urbanen Charakter. Es ist wirklich ein eigenständiges Quartier geworden. Wir sind froh als Stadt.“ 101

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL UNERWARTETE CHANCEN L angfristige Planungen sind eine besondere Stärke der Familie Scheidel. Doch als Heinz Scheidel im Sommer 1989 nach Ost- deutschland reist, um Pferde zu kaufen, bräuchte er wohl eine Kris- tallkugel, um die Entwicklungen absehen zu können. Dabei wird ihm schon auf seiner Reise eine Sache deutlich: Die Städte im Osten sind zu weiten Teilen baufällig. Während in der Bundesrepublik der Bau- sektor stagniert, gäbe es hier jede Menge Arbeit für Baufirmen. Doch der Gedanke ist für den Moment pure Spekulation. Die innerdeutsche Grenze ist fest zementiert und bewacht, das SED-Regime in Berlin scheint fest im Sattel zu sitzen. Plötzlich geht alles dann doch ganz schnell: Proteste in Leipzig und anderen Städten der DDR setzen das Regime unter Zugzwang. Gleichzeitig bröckelt der „Eiserne Vorhang“, Ungarn öffnet die Gren- zen zum Westen. Und knapp zwei Monate später, am 9. November 1989, passiert das scheinbar Unmögliche: Die Mauer fällt, die inner- deutsche Grenze wird geöffnet. Noch existieren zwei deutsche Staa- ten, doch nicht einmal ein Jahr später ist die deutsche Wiedervereini- gung besiegelt. Die Bilder der jubelnden Menschen auf der Berliner Mauer gehen live um die Welt und erreichen natürlich auch Heinz Scheidel in Mannheim. Sofort fallen ihm seine Gedanken aus dem Sommer wieder ein. Er zö- 104 Mit dem Mauerfall von 1989 eröffnen sich auch für Diringer & Scheidel ganz neue Chancen. Schon vor der Wiedervereinigung startet D&S in Ostdeutschland. Der erste Auftrag ist 1990 der Einbau von Eisabweisern an einer Brücke über die Mulde. EINE NEUE STRATEGIE gert nicht lange, setzt sich ins Auto und fährt wieder in den Osten – auf, wie er selbst sagt, „Erkundungsmission“. Auf der Autofahrt reift sein Plan immer mehr: Er möchte eine komplette Niederlassung auf- bauen, die das ganze, über Jahrzehnte gewachsene Spektrum der heimischen Bauunternehmung abbilden soll. Nur das „Wo“ kann er noch nicht festlegen. Und wieder hilft der Zufall: Ein neuer Mitarbeiter in Mannheim ist ein über Ungarn ausgereister Bauingenieur aus Dessau. Die beiden un- terhalten sich länger und blicken immer wieder auf eine Deutschland- karte. Dessau, die Bauhaus-Stadt, liegt verkehrstechnisch günstig, ist weit genug von der Grenze ent- fernt, um keine West-Konkurrenz anzuziehen, aber gleichzeitig nahe genug an Leipzig und Ber- lin. Über den Mitarbeiter lässt sich Scheidel Kontakte zu einigen Bau- ingenieuren in Dessau vermitteln. Im Januar 1990 steht er vor ihnen und macht ihnen ein Angebot: „Jeder von euch sucht sich mal 15 Mann aus seiner Firma aus, und an der Qualität der Leute werde ich sehen, ob ihr die beurteilen könnt, ob ihr die richtigen seid. Und die schickt ihr uns nach Mannheim zum Arbeiten.“ Schon im Mai 1990 stehen die Bautrupps auf dem Mannheimer Bauhof – und überzeugen den Chef: 500 Kilometer vom heimischen Neckarau entfernt soll Des- sau die ostdeutsche Hauptniederlassung werden. ENTSTEHT

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL KURPFÄLZER IM „WILDEN OSTEN“ – DIRINGER & SCHEIDEL EXPANDIERT NACH DESSAU D och die Euphorie für das Unterfangen „Dessau“ hat auch ihre Grenzen: Die Besitzverhältnisse in Ostdeutschland sind in weiten Teilen völlig ungeklärt und die Verwaltungen befinden sich in einem radikalen Umbruch. Die modernen Methoden und Maschinen aus dem Westen sind den neuen Kollegen aus Dessau kaum vertraut. Umso dringender braucht Diringer & Scheidel seine besten Leute vor Ort, wie Albert Geschwill erläutert: „Die meisten Firmen haben ja einen gro- ßen Fehler gemacht: Die sind mit der zweiten Garnitur rüber und dann oft zum Schiffbruch gekommen.“ Heinz Scheidel hingegen schickt sei- ne besten Leute und ist selbst so oft wie möglich vor Ort. Hierfür scheut er keine Investitionen. Er schafft neue Busse, Lkws und Bagger an, aber auch eine ganz neue Kategorie: Flugzeuge. „Dann haben wir Flugzeuge gekauft und haben fast täglich den Osten an- geflogen, sodass alle guten Bauingenieure drüben Patenbaustellen hatten“, so Scheidel. Er weiß, wie wichtig der enge Austausch und die Präsenz vor Ort sind – und was die Alternative wäre: „Was die Fliege- rei kostet, das konnten wir rechnen – aber mit schlechten Leuten zu arbeiten, das hätten wir nicht rechnen können.“ Die große Entfernung und die nach Jahrzehnten der Teilung schlecht ausgebauten Straßen- Dann habe ich mich dafür ent- schieden, Amerika sausen zu lassen, und war dann halt nicht im Wilden Westen, sondern im ‚Wilden Osten‘. 106 Karlheinz Heffner Eine einzelne Maschine genügt bald nicht mehr für den permanenten Austausch zwischen Mannheim und Dessau.

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1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT 107 Über den Wolken, v.l.n.r.: Heinz Scheidel, Willi Hofstetter, Karlheinz Heffner. LÖSUNG EINE PRAGMATISCHE verbindungen in den Osten machen das Pendeln auf der Straße un- zumutbar – also erhebt sich Diringer & Scheidel in die Luft. Nachdem zunächst mit Chartermaschinen geflogen wird, folgt 1991 der Kauf des ersten eigenen Flugzeugs, einer King Air. 1992 ergänzt eine tschechische Let die Flotte. Teil- weise fliegt Diringer & Scheidel mit zwei Maschinen parallel mehrfach in der Woche zwischen Mann- heim und Dessau hin und her. So kommt es auch, dass Heinz Schei- del an einem verregneten Herbsttag in aller Frühe in einem Flieger sitzt und der aufgehenden Sonne entgegenfliegt. Im Gegenzug holt er Fachkräfte aus Dessau nach Mannheim. Allein über 50 Mitarbeiter der alten Baubrigade Löbnitz übernimmt Diringer & Scheidel. Die Leute erweisen sich als gut ausgebildet und wissbegie- rig, wenn sie an den modernen Geräten geschult werden. So entsteht ein reger Austausch, der bald viele gegenseitige Vorurteile aus dem

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108 Elbunterführung: Der Düker von 310 m Länge ist für die Elbunterquerung bereit, 1992-1993. Weg räumt. „Was Besseres konnte dem Herrn Scheidel eigentlich gar nicht passieren“, erinnert sich Helmut Kummer (geb. 1951), der von 1990 bis 2015 als Polier in Dessau arbeitet. „Das waren deutsch- sprechende, hochqualifizierte, berufsausgebildete junge Arbeiter, die noch etwas reißen wollten“, so Kummer weiter. Trotzdem benötigt Scheidel gerade in der Anfangsphase dringend auch jemanden permanent vor Ort, auf den er sich bedingungslos verlassen kann. Fündig wird er schließlich in der eigenen Familie: Scheidels Neffe, Karlheinz Heffner, ist in dieser Zeit gerade mit sei- nem Bauingenieursstudium fertig. Eigentlich möchte er für einige Jah- re nach Amerika, hat dort über seinen Onkel sogar schon eine Stelle in Aussicht. Als er vor die Wahl gestellt wird, entscheidet Heffner sich aber doch für die Aufgabe im Familienunternehmen – und zieht nach Dessau. Ganze acht Jahre bleibt Heffner in Dessau. Er ist der verlängerte Arm der Mannheimer Zentrale, genießt aber auch einige Freiheiten und hat – in bester Diringer & Scheidel-Tradition – das Vertrauen seines On- kels. Ohne diese Eigenständigkeit ginge es auch gar nicht, denn die ersten Tage in Dessau verlangen viele Improvisationskünste. Das ers- te „Büro“ der neuen Niederlassung befindet sich im Hobbykeller des

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1972 –1993 | ERFAHRUNG UND EXPANSION VEREINT 109 AB UND ZU BRAUCHT ES IMPROVISATIONSTALENT neuen Mitarbeiters Andreas Graupner. Die nächste Station ist dann in den Nebenräumen eines Malerbetriebs. Die Bedingungen sind teilweise abenteuerlich: Schon eine Telefonverbindung ist oft Glücks- sache, man behilft sich mit einem Funktelefon der ganz alten Sor- te: „Dann sind wir immer auf den Dachboden, Karlheinz Heffner mit seinem Telefon und ich mit einer Antenne in der Hand, und dann haben wir versucht, den Funk- kontakt zu kriegen“, erinnert sich Andreas Graupner. Auch außer- halb des Büros erinnert in dieser Zeit tatsächlich vieles an den Wilden Westen. Einige noch immer im Land stationierten Soldaten der Roten Armee etwa finden Gefallen an einem von Heffners alten VW-Bussen – und bieten ihm im Tausch alles an, was sich noch in ihrem Repertoire befindet: Wodka in Mengen, aber auch Kalaschnikow-Gewehre oder sogar einen voll einsatzfähigen T-72 Kampfpanzer. Heffner teilt zwar die Begeisterung seines Onkels für außergewöhnliche Maschinen, entscheidet sich schließlich aber doch gegen die militärische Aufrüs- tung der Bauunternehmung. Stattdessen hilft er, in Dessau die Weichen zu stellen, um im größten Bauboom seit den Nachkriegsjahren Diringer & Scheidel im Osten zu etablieren. Heffner, der zu Beginn seines „Abenteuers“ im Osten gerade erst frisch von der Hochschule kommt, entwickelt sich unter diesen Bedingungen nicht nur zum routinierten Niederlassungsleiter, er stellt auch unter Beweis, dass er den familientypischen Sinn für innovative Geschäftschancen genauso geerbt hat wie das Bau-Gen: Unter seiner Führung entwickelt Diringer & Scheidel zahlreiche Pro- jekte in Dessau und Umgebung, die ostdeutsche Hauptniederlassung wächst mit ihrem eigenen Bauhof auf bis zu 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heran. Als er 1997 schließlich nach Mannheim zurück- kehrt, übernimmt er auch die Geschäftsführung in der Bauunterneh- mung, wird später geschäftsführender Gesellschafter und Mitglied des Management Boards.

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL In der Region aktiv: Umbau und Erweiterung der Zuckerfabrik in Delitzsch, 1991. 110 Die Erfolge in Dessau sind auch der Ausgangspunkt für weiteres Wachstum im Osten: Eine zweite Niederlassung wird in Leipzig ge- gründet. In Löbnitz baut Diringer & Scheidel zudem ein eigenes Kieswerk auf und betreibt bald darauf gemeinsam mit einem Part- ner zusätzlich ein Baustoffwerk. Zahlreiche eigene Großprojekte ein- schließlich der Entwicklung, Planung und Erschließung neuer Wohn- gebiete, aber auch große externe Hoch-, Tief-, Rohrleitungs- und Industriebauaufträge werden in Dessau, Leipzig und der Region rea- lisiert – das gesamte Portfolio der Bauunternehmung findet sich hier wieder. Mit beherztem und konsequentem Handeln hat es Diringer & Scheidel binnen kürzester Zeit geschafft, sich erstmals in einer neu- en, unbekannten Region komplett neu aufzustellen. Im Zuge dieser Erweiterung entwickeln sich notwendige Firmenstrukturen auch in Mannheim systematisch weiter. Der Bauträger- und Planungsbereich wird personell verstärkt, eine eigene Marketing- und Vertriebsabtei- lung sowie die Abteilung EDV und Organisation werden aufgebaut. Letztere steht viele Jahre unter der Leitung von Elisabeth Heffners Schwiegersohn Stefan Busch, der 1987 ins Unternehmen eintritt und sich später in die Selbstständigkeit begibt. Doch die Entwick- lung des Unternehmens in den 1990ern hat gerade erst begonnen. Denn erneut wird die schwankende Baukonjunktur die Firma vor gro- ße Herausforderungen stellen. Nach der aufwändigen Übertragung des gesamten Leistungsspektrums nach Ostdeutschland muss das Unternehmen nun noch einmal ganz neue Wege finden: In den nächs- ten Jahren wird die Ausdifferenzierung der Unternehmensbereiche Diringer & Scheidel beschäftigen.

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Mittlerweile sind wir hier zwanzig Jahre, aber man muss auch mit der Zeit gehen – wie auch in der Vergangenheit das Unternehmen mit der Zeit gegangen ist. Leandros Kalogerakis, Generaldirektor ARIVA, seit 1997 bei Diringer & Scheidel 115 WANDEL UND WEHMUT L eandros Kalogerakis ist der geborene Gastgeber. Mit einem stets herzlichen Lächeln begrüßt er die Besucher im Steubenhof Hotel in Mannheim, bietet Getränke an, plaudert freundlich und setzt sich schließlich zum Gespräch in die gemütliche Hotel-Bar, die sich im Licht der untergehenden Frühlingssonne noch einmal von ihrer bes- ten Seite zeigt. Doch einen Hauch Wehmut kann auch der gebürtige Grieche, der seit 30 Jahren in Mannheim im Hotelgewerbe tätig ist, nicht verbergen: Inmitten der Corona-Pandemie steht „sein“ Hotel leer, seine Stimme hallt von den Wänden wider, als er sagt: „Wissen Sie, meine Hotels, für die ich verantwortlich bin, die sind meine Babys, meine Kinder.“ Kalogerakis weiß, dass im Haus im Mannheimer Niederfeld große Än- derungen anstehen. Etwas über 20 Jahre nach seiner Eröffnung 2001 endet die Geschichte des Hotels – und ein neues Kapitel beginnt. Die D&S-Tochter avendi wird hier eine stationäre Pflegeeinrichtung mit 70 Pflegeplätzen in fünf Wohngruppen und erstmals auch eine Tages- pflege mit 15 Plätzen eröffnen. Als Folge der Pandemie, des harten Wettbewerbs im Mannheimer Hotelmarkt und einer immer älter wer- denden Gesellschaft ist diese Entwicklung zwar schmerzhaft, aber folgerichtig. Doch dahinter verbirgt sich ein besonderer Zusammen- hang. Die ganze Geschichte spielt sich unter dem Dach eines einzi- gen Konzerns ab: der Diringer & Scheidel Unternehmensgruppe. Die Neckarauer, die den gesamten Gebäudekomplex „Steubenhaus“ vor über 20 Jahren schon selbst entwickelt und realisiert hatten, sind mit

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In Ost und West parallel aktiv – D&S ist in den 1990ern viel unterwegs. Links: Verwaltungsgebäude für die Berufsgenossenschaft Nahrung und Genuss in der Dynamostraße in Mannheim, 1994. Rechts: Bau für die Berufsgenossenschaft Chemie in der Merseburger Straße in Halle, 1993. 116 WEIT WEG VON der ARIVA-Hotel GmbH nicht nur Betreiber des Hotels, sondern sind als Konzernmutter von avendi nun auch verantwortlich für das nächs- te Kapitel in der Geschichte des Gebäudes – und planen und reali- sieren den rund 4 Millionen Euro teuren Umbau natürlich auch selbst. Hotels und Pflegeeinrichtungen? Die Projekte von Diringer & Schei- del scheinen zu Beginn des neuen Jahrtausends meilenweit weg vom Baugeschäft Franz Anton Diringers, selbst wenn der Steubenhof nur einen kurzen Spaziergang von der Wilhelm-Wundt-Straße entfernt liegt. Doch in den 30 Jahren seit der Wiedervereinigung haben sich seine Nachfahren nicht nur nach Ostdeutschland vorgewagt, sondern ganz neue Bereiche erschlossen, die aus dem ehemaligen Bauun- ternehmen inzwischen eine orga- nisch gewachsene, diversifizierte Firmengruppe machen. So werden die Projekte zwar immer größer, doch die vielleicht wichtigste Eigenschaft des Familienunternehmens bleibt eine altbekannte: der Mut, neue Wege zu gehen und Möglich- keiten zu ergreifen, wenn sie sich präsentieren. Auch Leandros Kalo- gerakis weiß, dass Veränderungen bei Diringer & Scheidel zwar ab und zu schmerzhaft sein können, die Entscheidungen aber immer mit einem Blick auf die langfristige Zukunft getroffen werden: „Mittlerweile sind wir hier zwanzig Jahre, aber man muss auch mit der Zeit gehen – wie auch in der Vergangenheit das Unternehmen mit der Zeit ge- gangen ist.“ DEN WURZELN Was ich toll finde: dass Heinz Scheidel erkannt hat, dass er sein Geschäftsmodell verändern muss. Das hat er gemacht und das hat er konsequent gemacht – und soweit ich das von außen beurteilen kann – mit großem Erfolg. Roland Hartung, Mannheimer Kommunalpolitiker und langjähriger Vorstandsvorsitzender der MVV

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN EIN NEUES FUNDAMENT – DIE DIVERSIFIZIERUNG ZU BEGINN DER 1990er JAHRE 1 991 hat Alexander Langendörfer ein Vorstellungsgespräch bei Diringer & Scheidel. Als gebürtiger Mannheimer und studierter Betriebswirt kennt Langendörfer das Unternehmen und weiß, dass die Neckarauer stark wachsen und dringend Leute suchen. Der 28-Jäh- rige bewirbt sich also auf eine Stelle für die Assistenz der Geschäfts- führung. Langendörfer kommt bei Heinz Scheidel gut an, die beiden verstehen sich auf Anhieb. Da macht Scheidel ihm plötzlich ein ganz anderes Angebot, wie sich Langendörfer erinnert: „Unsere Firma war zu dem Zeitpunkt schon engagiert in Dessau, aber noch nicht so sehr in Leipzig. Und es gab die Aufgabe, nach Leipzig zu gehen. Das war das Angebot. Das habe ich mir dann eine Woche lang überlegt. Ich fand es hochspannend und habe angenommen.“ Tatsächlich ist es ein Sprung ins kalte Wasser für Langendörfer: Ohne viel Vorbereitung soll er nun fernab der Heimat eigenständig Grund- stücke für die Projektentwicklung in Leipzig suchen. Als er fragt, welche, ist die Antwort knapp und deutlich: „Gute!“ – Heinz Schei- del gibt dem jungen Mann den Freiraum, selbst Entscheidungen zu treffen; nicht immer ganz einfach, wie Langendörfer sich erinnert. Als er seine ersten Vorschläge zurück nach Mannheim bringt, ist die Auf- regung entsprechend groß: „Da kommt man schon mit etwas feuchten Händen hin und man schläft auch die ein, zwei Nächte vorher wahr- scheinlich nicht so gut.“ Aber er weiß auch: „Ohne Anspannung keine Leistung. Nervosität bringt auch das letzte bisschen Energie hervor. Im Vordergrund der Bau der Wohnanlage Turmstraße, am Grundstücksende nördlich das Bürogebäude Merseburger Straße in Halle. 117

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN 119 Große Baustellen wie die Johannis-Arkaden (oben) oder am Albrechts platz 1995 beschäftigen die Hauptniederlassung in Dessau. möchten. Alexander Langendörfer erlebt nicht nur diese ostdeutsche Blütezeit am Bau und im Immobiliensektor, sondern auch, wie sich in der Heimat in direkter Nachbarschaft eine neue Gelegenheit für das Unternehmen bietet: Am Westrand von Neckarau entsteht ein neuer Verkehrsknotenpunkt mit der Unterstützung von Diringer & Scheidel als Bauunternehmung, aber auch als Bauträger. Diringer & Scheidel entwickelt und realisiert hier von 1989 bis 1995 das „Rheingold-Cen- ter“. Das Projekt, geplant von Architekt Prof. Helmut Striffler, ist an- Interview mit Alexander Langendörfer EIN HAUCH VON „BLÜHENDEN Und ohne Energie keinen Erfolg.“ Schließlich bleibt er über drei er- folgreiche Jahre lang in Leipzig – und mittlerweile über 30 Jahre im Unternehmen. Der Immobilienmarkt in Ostdeutschland boomt, neben Dessau ent- steht in Leipzig eine zweite Niederlassung. Beide unterstehen Schei- dels Neffen Karlheinz Heffner und beschäftigen in der Hochphase rund 500 Mitarbeiter. Neben zahlreichen Infrastrukturaufträgen für den Tief-, Straßen- und Rohr- leitungsbau realisiert die eige- ne Bauunternehmung zunächst große externe Hochbauaufträge für Wirtschaft, Verwaltung und Industrie. Darunter fällt auch der erste Bau eines Hotels in Dessau – Know-how, das später noch von Nutzen sein wird. Daneben plant und realisiert Diringer & Scheidel zunehmend eigene Wohn- und Gewerbeimmobilien auf den schließ- lich erworbenen Grundstücken. Vor allem mangelt es in dieser Zeit an zeitgemäßem Mietwohnraum. Investitionsprogramme wie die 50 %-ige Sonder-Afa für Kapitalanleger beim Kauf von ostdeutschen Neubau- immobilien lösen einen weiteren Boom aus. Westdeutsche Kapital- anleger investieren verstärkt und die Flieger von Diringer & Scheidel verzeichnen an Bord neue Gäste, die sich vor Ort ein Bild machen LANDSCHAFTEN“

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122 Wolfgang Pikulik ist ab 1982 bis 2005 als technischer Geschäftsführer der Bauträgergesellschaft bei D&S. Viele Projektentwicklungen vor allem in Ostdeutschland tragen seine Handschrift. EIN LOGISCHER SCHRITT spruchsvoll und Vorbote für viele kommende Entwicklungen im Mann- heimer Süden: Es beherbergt vielfältige Nutzer unter einem Dach, eine Polizeidienststelle genauso wie Arztpraxen, Büros und Laden- flächen. Es ist ein Meilenstein in der eigenständigen Projektentwick- lung des Unternehmens, das hier beim Projektumfang in neue Dimen- sionen vorstößt. Diringer & Scheidel stellt damit unter Beweis, dass die Projektentwicklung und das Bauträgergeschäft inzwischen mehr als nur Nebenprodukte der Bauunternehmung sind. Sie werden in dieser Zeit zu eigenständigen Standbeinen des „Tausendfüßlers“. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wird 1993 die „Diringer & Scheidel Wohn- und Gewerbebau GmbH“ gegründet, das erste dauerhafte Tochterunternehmen von Di- ringer & Scheidel unter der Leitung von Heinz Scheidel und Wolfgang Pikulik. Auch wenn es in diesem Moment nur ein erster Schritt ist: Aus der Bauunternehmung Diringer & Scheidel wird jetzt die Diringer & Scheidel Unternehmensgruppe. Alexander Langendörfer, damals Assistent der Geschäftsleitung, ist heute Mitglied der Geschäftsführung in allen Bauträgergesellschaften der Unternehmensgruppe. Er erinnert sich noch gut an die dama- ligen Überlegungen: „Einer der Gründe, warum wir als Baufirma in das Bauträgergeschäft gegangen sind, war natürlich, dass das Bau- trägergeschäft der natürliche Absatzweg für die Bauleistung ist.“ In Zeiten geringerer Nachfrage wird die eigene Bauträgergesellschaft bald zur wichtigen Auftraggeberin für die Bauunternehmung. Da- rüber hinaus kann das Unternehmen bei Grundstückskäufen und in Planungsverfahren komplette Baulösungen aus einer Hand anbieten – was erhebliche Vorteile für sichere Kalkulationen und letztlich die Finanzierung durch die Banken bietet, gerade bei der Entwicklung immer größerer Projekte.

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 124 Zum Tod Heinrich Scheidels, 1994 Die erste Firmentochter, die Diringer & Scheidel Wohn- und Gewerbebau GmbH, ist ein wichtiger Meilenstein in der Ge- schichte von Diringer & Scheidel. Doch zur selben Zeit muss das Unternehmen einen persönlichen Verlust hinnehmen, der schwerer wiegt als alle geschäftlichen Belange: Am 14. Juli 1994 verstirbt Seniorchef Heinrich Scheidel im Alter von 79 Jahren. Trotz eines langen Herzleidens ist er bis zuletzt im Unternehmen präsent und unterstützt seine Kinder, den Enkel und die Mitarbeiter mit Rat und Tat, aber auch mit seinem Optimismus und Humor, wo er kann. Die Anteilnahme auch außerhalb des Unternehmens ist groß – denn Heinrich Scheidel engagiert sich neben seiner Arbeit im eigenen Unternehmen sein ganzes Leben lang immer wieder intensiv für die Gesellschaft und die Baubranche. Bei seiner Tätigkeit für die Mannheimer Bauinnung, der er lange als Obermeister vorsteht und deren Ehrenobermeister er zuletzt ist, sowie als Vorstandsvorsitzender der Südwestlichen Bau- Berufsgenossenschaft ist ihm vor allem die Nachwuchsför- derung ein Anliegen. Für seinen unermüdlichen Einsatz wird er vom Bundespräsidenten 1981 mit dem Bundesverdienst- kreuz am Bande und 1985 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet. Auch wenn er an all seinen Wirkstätten schon lange für eine tatkräftige Nachfolge gesorgt hat und sein Lebenswerk in besten Händen weiß, so markiert sein Tod doch das Ende einer Epoche in der Geschichte des Unternehmens.

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125 Elisabeth und Heinrich Scheidel beim Richtfest in Halle. Die Projektentwicklung macht den Anfang in der Ausweitung der Geschäftsfelder, doch schon 1995 folgt der nächste Schritt: Mit der ACCURATA entsteht eine eigene Tochtergesellschaft für Immobi- lienverwaltung – eine naheliegende Weiterentwicklung für Diringer & Scheidel, das mit diesem Schritt einen wichtigen Teil in der Wert- schöpfungskette im Immobiliengeschäft nun auch im eigenen Unter- nehmen abdeckt. Es ist der Vorstoß in den Dienstleistungssektor in einer für das Baugeschäft schwierigen Phase. Die Ausdifferenzierung zwischen Bau-, Projektentwicklungs- und Dienstleistungsgeschäft ist bei Diringer & Scheidel eine organische Erweiterung: Die Firmen unterstützen sich untereinander, man bedient sich der jeweiligen Stärken innerhalb der „D&S-Familie“ – auch zum Vorteil für manchen Mitarbeiter, wie sich der langjährige Betriebsratsvorsitzende Hans- Jürgen Hettinger erinnert: „Man hat sich dort immer ein bisschen aus- geglichen und dadurch konnte man natürlich auch Arbeitsplätze sichern. Das bedeutet auch eine gewisse Flexibilität. Wenn ich zum Beispiel jemanden habe, der im Baugewerbe diese körperlichen Arbeiten nicht mehr so erbringen kann, wie es gewünscht ist, dass man sagt: Mensch, geh‘ vielleicht ins Gebäudemanagement und mach‘ dort Hausmeistertätigkeiten.“ In den nächsten Jahren wird die Gruppe ihre Möglichkeiten und Ge- schäftsbereiche Stück für Stück erweitern. Doch der nächste Schritt führt Diringer & Scheidel mit neuen Aufgaben erst einmal an eine alt- bekannte Wirkstätte: Unter die Erde. WERTSCHÖPFUNGSKETTE UNTER EINEM DACH

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Die Rohrleitungsbauer möchten auch lieber die Rohre neu bauen, als dass wir sie sanieren. Das haben wir aber gut hingekriegt, dass auch ein bisschen mehr Verständnis für die Firmenteile untereinander da ist. Markus Brechwald, Geschäftsführer der D&S-Gesellschaften im Bereich Rohrsanierung und Kanalsanierungstechnik HIGHTECH UNTER DER ERDE – DIE DIRINGER & SCHEIDEL ROHRSANIERUNG 128 Mit der grabenlosen Rohrsanierung erschließt sich D&S ein neues Geschäftsfeld. 1 996, Diringer & Scheidel ist gerade 75 Jahre alt geworden, hört Heinz Scheidel eine Nachricht, die ihn elektrisiert: Die Firma Al- fred Kunz muss Insolvenz anmelden. Die wirtschaftliche Schieflage der Kollegen ist zwar bedauerlich – aber auch eine Chance, auf die er schon seit einer Weile gewartet hat. Denn mit der Tochterfirma Kanal- technik Kunz besteht dort ein Unternehmensbereich, der für Scheidel hochinteressant ist. Kurzentschlossen übernimmt er die komplette Kanaltechniksparte mit ihren 60 Mitarbeitern sowie zusätzlich 13 Mit- arbeiter aus der Gebäudesanierung in der Niederlassung Mannheim. Zwar können die Neckarauer selbst Kanäle erneuern, allerdings feh- len ihnen Kenntnisse auf einem relativ neuen Gebiet: der grabenlo- sen Rohrsanierung. Mit den neuen Verfahren werden Wartung und Reparatur unterirdischer Rohrleitungen und Kanäle möglich ohne auf- wändig herzustellende und teu- re Gruben, die es anschließend wieder zu schließen gilt und dazu in kürzerer Zeit. Eine zukunfts- trächtige Kompetenz, wie Heinz Scheidel früh erkennt: „Der Markt ist da, dass die Kanäle oder Rohrleitungen, die mal vor 50, 100 Jahren gebaut worden sind, in die Jahre kommen und saniert werden müs- sen. Die Rohrsanierung wird weiter wachsen, einfach weil sehr viele Rohrsysteme im Boden kaputt sind.“ Und für den technikbegeisterten Scheidel hat die innovative Branche noch einen zusätzlichen Reiz: Bei der Arbeit unter der Erde kommt in der Rohrsanierung viel High- tech zum Einsatz, Roboter bestimmen den Arbeitsalltag. Der spätere Geschäftsführer Markus Brechwald resümiert, warum sich aus dem EIN FEHLENDES PUZZLESTÜCK

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Keine tonnenschweren Bagger, sondern kompakte Hightech-Roboter bestimmen den Alltag in der grabenlosen Rohrsanierung. Hier: der leistungsstarke elektrische Fräsroboter eCutter. 129 Roboter und Spezialisten Die grabenlose Rohrsanierung ist für ihre Arbeit auf Hightech-Maschinen und besondere Verfahren angewiesen. Es ist ein Know-how, das Diringer & Scheidel im Laufe der Jahre in die Unternehmensgruppe integriert und so selbst zum Spezialanbieter wird. Heute verfügt Diringer & Scheidel über die Kompetenzen und das Know-how, um alle gängigen Verfahren anzuwenden und selbst anspruchsvollste Sanierungsaufträge zu bewältigen. Mit der Technologiefirma Pipetronics, in die Diringer & Scheidel ihre später gegründete Pipe-Robo-Tec GmbH einbringt, hat die Unternehmensgruppe zudem heute ein Standbein im Bereich der Entwicklung und Fertigung von intelligenten Rohrsanierungsrobotern. Weitere Tochterunternehmen wie die Pipe-Seal-Tec, die spezielle Innen- dichtsysteme produziert und vertreibt (und Anfang 2022 mit der Pipetronics fusioniert), sowie die Pipe-Aqua-Tec mit ihrem speziell für die Sanierung von Trinkwasserleitungen entwickelten BlueLiner ergänzen das Portfolio rund um die grabenlose Rohrsanierung. Moderne Verfahren und spezialisierte Experten erlauben Sanierungen ohne langwierige Grabungen.

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Weit weg von Neckarau – die Rohrsanierung im Ausland Mit der grabenlosen Sanierung von Druck- und Freispiegelleitungen ist die Rohrsanierung bundesweit unterwegs und in der hart um- kämpften Branche einer der Marktführer. Nicht nur an den Standorten der Bauunternehmung, sondern im ganzen Land unterhält die Rohrsa- nierung zahlreiche Standorte, aktuell etwa in Aschaffenburg, Dillingen, Gelsenkirchen, München, Nürnberg, Oldenburg und Wetzlar. Doch die Rohrsanierung hat darüber hinaus auch eine besondere Alleinstellung innerhalb der Gruppe: Ab 2000 werden erste Groß- projekte im Ausland erfolgreich durchgeführt. Den Anfang machen drei Projekte in Sibirien, was auch das Novum mit sich bringt, dass im heimischen Neckarau für einige Zeit jeden Morgen der Rubelkurs sorgsam beäugt wird. So etabliert sich die Rohrsanierung als ein inter- nationales Aushängeschild der Unternehmensgruppe. Sie wird auch auf einigen Auslandsmärkten zu einem führenden Anbieter und führt prestigeträchtige Aufträge durch wie etwa an der Rialto-Brücke in Ve- nedig. Inzwischen existieren Tochterfirmen in Luxemburg, Frankreich, Italien, Rumänien und sogar eine Niederlassung in Bahrain. 130 Die Expertise und der gute Ruf von D&S führen die Spezialisten auch weit weg von Mannheim – hier die Experten der italienischen D&S-Tochter ROTECH nach Venedig. anfänglichen Vorstoß in die Branche und nach dem Ankauf und der Verschmelzung von insgesamt fünf Anwenderfirmen schließlich die Diringer & Scheidel Rohrsanierung zu einem der Marktführer entwi- ckelt: „Wir haben sicherlich auch durch das Technikaffine von Heinz Scheidel die ganze Produktpalette gehabt. Die haben wir heute auch noch. Das ist unsere Stärke.“ Die Diringer & Scheidel Rohrsanierung beginnt also mit einer kurz- fristig ergriffenen Chance. Doch dahinter steht Heinz Scheidels klarer Plan für den Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes: In den nächsten Jahren wird es durch weitere Firmenübernahmen gezielt um Perso- nal und Standorte erweitert – an die Herausforderungen erinnert sich Markus Brechwald: „Die sehr anspruchsvolle Aufgabe war es, Wett- bewerber, die am Markt vorher gegeneinander agiert haben, jetzt unter dem Dach von D&S zusammenzubekommen und ein Wir-Ge- fühl zu entwickeln.“ Doch die Mitarbeiter merken schnell, dass die neuen Mannheimer Eigentümer mit Engagement bei der Sache sind und immer auch ein Ohr für die Anliegen der verschiedenen Stand- orte haben. Die langfristige Ausrichtung des Familienunternehmens zahlt sich auch hier aus: „Die ersten Jahre waren schwieriger“, so Brechwald. An einzelnen Stellen sind auch schmerzhafte Rationalisierungen und Zusammenlegungen nicht zu vermeiden, trotz allem bleibt das Geschäft aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen zunächst de- fizitär. „Da war auch viel Geduld der Gesellschafter dabei. Aber dann haben wir langsam unseren Weg gefunden.“ Ab 1999 firmiert die neue Sparte schließlich auch offiziell unter dem Namen Diringer & Scheidel Rohrsanierung (aus der Anfang 2022 der Fachbereich Druckrohrtech- nik in die Diringer & Scheidel Druckrohrtechnik GmbH & Co. KG ver- lagert wird) und etabliert sich mit bereits 200 Mitarbeitern als wichtige Größe auf dem Markt. In wenigen Jahren entwickelt sich Diringer & Scheidel zu einem führenden Anbieter in der Branche – später so- gar über die Grenzen Deutschlands hinaus – und kommt vollends in der Unternehmensgruppe an: „Das hat schon gedauert, aber nach drei, vier Jahren hatten wir doch schon ein D&S-Gefühl entwickelt,“ so Brechwald. Nach intensiven Anfangsjahren bleiben schließlich viele Mitarbeiter langjährig im Unternehmen. „Ich glaube, der größte Teil unserer Mitarbeiter sagt heute: ‚Wir sind D&Sler‘“. DAS MOSAIK FÜGT SICH ZUSAMMEN

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Wir haben von 1997 bis 2007 eine tiefgreifende Baurezession gehabt, zehn Jahre. Wenn Sie in einer solchen Zeit lernen, dann prägt das. Da haben wir mit meinem Schwiegervater jemanden, der diese Wellenbewegungen schon oft mitgemacht hat. Wenn Sie so jemanden an der Seite haben, dann ist das natürlich sehr hilfreich. Tobias Volckmann, Schwiegersohn von Heinz Scheidel, Geschäftsführer Finanzen und Mitglied des Management Boards DIRINGER & SCHEIDEL AN DER SCHWELLE IN EIN NEUES JAHRTAUSEND 134 D ie 1990er nähern sich ihrem Ende. In den Büros in der Wilhelm- Wundt-Straße haben sich inzwischen Computer statt Schreib- maschinen durchgesetzt, die Telefonverbindung nach Dessau klappt mittlerweile zuverlässig und wird durch E-Mails ergänzt. Doch die technologischen Entwicklungen können nicht darüber hinwegtäu- schen, was die Excel-Tabellen der Buchhaltung anzeigen: Die Krisen- zeichen im Baugeschäft lassen sich nicht mehr ignorieren. Auch in Ostdeutschland setzt nach den Boom-Jahren eine tiefgreifende Re- zession in der Bauwirtschaft ein. Das klassische Baugeschäft von Di- ringer & Scheidel gerät mehr und mehr unter Druck. Heinz Scheidel kennt diese Schwankungen zur Genüge – und umso stärker treibt er seine Pläne voran, den „Tau- sendfüßler“ Diringer & Scheidel weiterzuentwickeln. Während in anderen Firmen in der Krise vor allem Kürzungen die Strategie bestimmen, sucht Scheidel weiter nach sich bietenden Chancen und neuen Geschäftsfeldern, die er mit Beharr- lichkeit, aber auch mit viel Vertrauen in seine Mitarbeiter in die Dirin- ger & Scheidel Unternehmensfamilie integrieren kann. Dafür hat er mittlerweile Verstärkung aus der Familie an seiner Sei- te: Sein Neffe Karlheinz Heffner kehrt 1997 aus Dessau zurück nach KURS HALTEN IN DER KRISE Mannheim und übernimmt die operative Geschäftsleitung für den Baubereich bundesweit. Mit Tobias Volckmann und Achim Ihrig treten 1997 und 2003 zwei Schwiegersöhne von Heinz Scheidel ins Unter- nehmen ein, beide sind studierte Betriebswirte. Während Volckmann, Jahrgang 1968, in den nächsten Jahren vor allem als Geschäftsfüh- rer im Finanzbereich aktiv ist und schließlich die Geschäftsleitung Fi- nanzen übernimmt, ist der Hotelierssohn Ihrig, Jahrgang 1974, nach ersten Aufgaben in der neu entstehenden Hotellerie bald auch für den Pflegebereich und weitere Dienstleister sowie die Projektentwick- lung aktiv und übernimmt später die Geschäftsleitung des gesamten Dienstleistungsbereichs der Gruppe. Auch Scheidels Töchter Simone, Sabine und Susanne studieren Betriebswirtschaft und treten nach erfolgreichem Abschluss eine nach der anderen in die Unternehmensgruppe ein. Damit folgen sie in gewisser Weise auch den kaufmännischen Spuren, die ihre Großmutter Elisabeth Scheidel gelegt hat. Als Leiter der Verwaltung des eigenen Immobilienbestands kommt einige Jahre später in die- sem Bereich noch Heinz Scheidels dritter Schwiegersohn Christian Fackert hinzu. Noch stecken viele Themen aber in den Kinderschu- hen – und gerade die jungen Schwiegersöhne müssen sich erst ein- mal im Unternehmen beweisen, bevor sie sich für höhere Aufgaben

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Die Hotels der ARIVA Aus den zaghaften Anfängen entwickelt sich eine Hotelgesellschaft, die heute unter der Geschäftsführung von Achim Ihrig über 180 Mitarbeiter beschäftigt und rund 600 Zimmer in Mannheim anbietet. ARIVA betreibt aktuell vier Hotels in Mannheim und ist Partner international renom- mierter Hotelbrands wie der Radisson Group und Hilton. Boardinghouse Platanenhof (eröffnet 1998) 90 Apartments in Mannheim-Käfertal. Hotel LanzCarré, a member of Radisson Individuals (eröffnet 2009) 76 Zimmer am Glückstein-Park und in Bahnhofsnähe in Mannheim-Lindenhof; 2022 als erstes Radisson Individual Hotel in Deutschland gebrandet. 135 Radisson Blu Hotel, Mannheim (eröffnet 2016) 229 Zimmer und Suiten im 4 Sterne Superior Hotel im neuen Stadtquartier Q 6 Q 7. Hilton Garden Inn Mannheim (eröffnet 2019) 197 Zimmer und Suiten im 4 Sterne Hotel direkt am Mannheimer Hauptbahnhof.

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL empfehlen. Dafür setzt Heinz Scheidel auf ein bewährtes Rezept: Viel Vertrauen und Freiheiten, aber auch immer offene Kommunika- tionswege. Achim Ihrig, Mitglied des Management Boards, erzählt von den ersten „Verhandlungen“ mit dem Schwiegervater: „Für mich war wichtig: Was bekomme ich an Freiheiten? Und ich habe mei- nem Schwiegervater damals gesagt: ‚Wenn ich wegen jedem Blei- stift zu dir rennen muss, dann mache ich den Job nicht‘.“ Für Heinz Scheidel ist das kein Problem. Er stellt nur eine Bedingung, wie Ihrig weiter berichtet: „Das hat er verstanden und hat nur gesagt: ‚Dann bekommst du die Verantwortung und dann musst du aber auch mit der Verantwortung umgehen.‘“ 136 Volckmann und Ihrig lernen schnell, mit den nächsten Entwicklun- gen der Unternehmensgruppe Schritt zu halten: 1998 wagt Diringer & Scheidel mit dem Boardinghouse Platanenhof in Mannheim-Käfer- tal erstmals den Schritt ins Hotelgewerbe. Die Gelegenheit dazu ent- wickelt sich aus einer gemeinsamen Projektentwicklung mit einem Partner, der jedoch aussteigt. Damit bietet sich die Chance, das Boardinghouse auch selbst zu betreiben. Der Hotelprofi Leandros Kalogerakis wird hierfür angeheuert. Der erste „Versuch“ gestaltet sich erfolgreich. Als Diringer & Scheidel die Projektentwicklung für das Steubenhaus im Mann- heimer Niederfeld angeht, wird der Betrieb eines eigenen Hotels von Anfang an Teil des Plans, in- zwischen unter dem Dach der 2001 neu gegründeten Tochterfirma ARIVA Hotel GmbH. Mit dem Schritt ins Hotelgewerbe ist Diringer & Scheidel nun endgültig im Dienstleistungssektor angekommen und wird sich dort bald noch weiter etablieren. EINE NEUE GELEGENHEIT WIRD ERGRIFFEN Ab 2021 wird es in eine Pflegeeinrichtung mit der ersten Tagespflege der D&S-Tochter avendi umgebaut.

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Wir haben am Ende der 1990er Jahre dann angefangen mit der Altenpflege. Dabei sind wir aus der Baubranche raus und haben uns auch andere Standbeine auf- gebaut, sodass wir nicht nur rein baukonjunkturabhängig sind. Heinz Scheidel Die Baustelle am Lanzgarten in Mannheim. 19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN AVENDI UND DAS STADTQUARTIER „AM LANZGARTEN“ D ie Hotellerie ist in ihren 25 Jahren im Unternehmen nicht der einzige neue Bereich, mit dem Tobias Volckmann konfrontiert wird. Als Geschäftsleitung Finanzen muss er immer wieder Ban- ken und Geldgebern teilweise komplizierte Projekte erklären und für Verständnis werben. Oft geht es um große Geldbeträge und komplexe Verträge. Doch er erinnert sich noch gut, wie er schon in seiner Anfangszeit eine ganz besondere Idee präsentieren muss: Die Baufirma Diringer & Scheidel will ins Pflegegeschäft einstei- gen. „Das war für uns schwer, das den Banken zu vermitteln“, so Volckmann. „Es kam immer die zynische Frage: ‚Wenn Ihr eure Bauarbeiter jetzt mal nicht mehr beschäftigen könnt, machen die dann Altenpflege?‘“ Baggerfahrer und Maurer, die Pflegebetten schieben? So weit kommt es nicht. Aber so ungewöhnlich die Idee im ersten Moment klingt, sie ist gut durchdacht. Schon seit Längerem baut Diringer & Scheidel Senioren- einrichtungen – in einer al- ternden Gesellschaft nimmt der Bedarf an Pflegeheimen und barrierefreien Wohnungen immer mehr zu, die Bedeutung als Zu- kunftsmarkt ist für Heinz Scheidel offensichtlich. Noch begnügen die Neckarauer sich damit, Senioren-Immobilien für externe Auf- traggeber zu bauen. Doch aus diesem Berührungspunkt reift bei Heinz Scheidel die Idee heran, auch hier den letzten Schritt in der Kette zu übernehmen und entsprechende Einrichtungen ähnlich wie bei den Hotels nicht nur selbst zu entwickeln und zu realisieren, sondern schließlich auch selbst zu betreiben. NICHT NUR EINE NOTLÖSUNG 137

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 138 Noch fehlt ihm die passende Expertise im Unternehmen, um in der Branche Fuß zu fassen. Aber er hält die Augen offen und findet schließlich die richtige Gelegenheit. Über einen Kontakt aus dem – wie sollte es in der pferdebegeisterten Familie anders sein – Reitsport lernt er Patrick Weiss kennen, der eine Pflegebetreibergesellschaft mit 16 Einrichtungen und über 2.500 Plätzen leitet. Scheidel erzählt von seinen Erfahrungen im Bau von Pflegeheimen. Und lässt im Laufe der Unterhaltung schließlich eine Bemerkung fallen: „Ich würde es ja selbst machen, wenn ich nur die richtigen Leute hätte.“ Aus der Be- merkung und dem ersten Treffen wird schnell eine Zusammenarbeit. 2001 gründet Scheidel die Firma avendi Senioren Service GmbH, Weiss wird Geschäftsführer. Er beginnt die Arbeit mit dem Betrieb ei- ner kleinen Senioren-Wohnanlage in Mannheim-Neuhermsheim. Der Auftakt ist noch bescheiden, wie sich Manuela Kühn, die heute bei avendi Leiterin der Zentralverwaltung und Organisation ist, erinnert: „Das war ein absolutes Abenteuer. Das war auch alles ganz klein ge- halten: Man saß hier direkt mit dem Geschäftsführer noch in einem Büro, es waren maximal drei, vier, fünf Mitarbeiter, es war eine ganz kleine Familie und der An- fang von allem mit einer kleinen Einrichtung dann.“ Später stößt auch Achim Ihrig hinzu, nach dem Ausscheiden von Patrick Weiss wird er schließlich alleiniger Geschäftsführer der avendi. Der Pflegebereich steht auch im Fokus des nächsten großen D&S- Projekts: des Stadtquartiers am Lanzgarten, dessen Entwicklung und Realisierung bis 2003 für Diringer & Scheidel einen weiteren Mei- lenstein darstellt und in dem die erste eigene stationäre Pflegeein- richtung entsteht. Schon der Umfang des Projekts ist beachtlich: Auf 11.500 Quadratmetern Grundstücksfläche stemmt Diringer & Schei- del ein Volumen von über 50 Millionen Euro, entwickelt, realisiert und vermarktet daneben noch 170 Eigentumswohnungen, Büroflächen, ein Gesundheitszentrum und ein Restaurant, alles auf dem Areal des historischen Lanz-Krankenhauses. EIN NEUES ABENTEUER Kurze Wege und ein freundliches Ambiente: Mit dem Stadtquartier am Lanzgarten beweist D&S sein Gespür für Großprojekte, die am Bedarf der Menschen orientiert sind.

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Eine glückliche Verbindung – der Lanzgarten als Verbundeinrichtung Eine besondere Innovation im Lanzgarten ist die Konzeption der Seniorenbereiche als Verbundeinrichtung – eine Kombination aus Senioren- Service-Eigentumswohnungen und einer Pflegeeinrichtung mit vollstationären Pflegeplätzen, die über einen Flur verbunden sind. So können noch weitestgehend unabhängige Bewohner niedrigschwellig einzelne Leistungen von avendi in Anspruch nehmen und in ihrem selbstbe- stimmten Alltag unterstützt werden. Für Bewohner, deren Pflegebedarf steigt, ist der Weg in die Pflege ohne große räumliche Veränderungen möglich. Das Konzept findet bundesweit Beachtung und wird vielfach übernommen. Es zeigt auch die Vorteile, die durch die direkte Verzahnung von Pflege- und bautechnischem Bereich sowie der Planung entstehen, wie Manuela Steinfeld erläutert: „Man kann sich von Anfang an mit einbringen und auch den Bedarf, der bei den Bewohnern und Mitarbeitern besteht. Bei der Bauphase, bei der Planung und auch im Nachhinein, wenn so ein Gebäude einmal errichtet ist. Die Entscheidungswege bleiben kurz.“ 139

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Ansehen ihres Standes medizinische Hilfe erfahren sollten, werden bis heute Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, durch avendi ambulant und stationär betreut und gepflegt. Diringer & Scheidel ist dem Lindenhof darüber hinaus als Unterstützer in vielfacher Weise bis heute verbunden. Auch wenn schließlich kein Bauarbeiter bei der Altenpflege aushilft: Das jeweilige Know-how und neue Synergien sind für alle Seiten eine wichtige Hilfe. Auf die Einrichtung am Lanzgarten folgen zwei avendi- Pflegeeinrichtungen in Dessau, das Unternehmen wächst fortan be- ständig. Bald werden eigenständige ambulante Pflegedienste ins Port- folio aufgenommen. avendi etabliert sich als unverzichtbarer Teil der Diringer & Scheidel-Familie und beschäftigt 2021 in diesem Bereich rund 1.700 Mitarbeiter – fast die Hälfte der heutigen 3.850 „D&Sler“. 141 Die Pflegeteams von avendi sind heute ein wichtiger Teil der D&S-Familie. ZUSAMMEN DIE FAMILIE RÜCKT Doch ein unerwartetes Hindernis droht, das Großprojekt aus der Bahn zu werfen: Die „Blutbuche“ im Mannheimer Lanzgarten. Ein Angebot zur Versetzung fand keine Zustimmung im Bezirksbeirat, doch der Baum kann nach gutachterlicher Einschätzung auch mit einem auf- wändigen Schacht um sein Wurzelwerk an dieser Stelle nicht über- leben. Das Thema wird schnell emotional aufgeladen, wie sich Traude Weber, seit 1988 für 25 Jahre Chefsekretärin bei Heinz Scheidel, noch lebhaft erinnert: „Man kann sich nicht vorstellen, was die Leute da al- les geschrieben haben, persönlich den Herrn Scheidel angegriffen.“ Während sich öffentlicher Widerstand regt, verlieren auch Geldgeber das Vertrauen und widerrufen ihre Kreditzusagen. Für das Unterneh- men wird die Situation bedrohlich, Millionen und folglich Arbeitsplät- ze stehen bei einem Scheitern auf dem Spiel, während weiter täglich wütende Leserbriefe im Mannheimer Morgen erscheinen. Doch in dieser Situation zeigt sich der besondere Zusammenhalt des Familienunternehmens: Heinz Scheidel, Elisabeth Heffner und die gesamte Familie setzen alles auf eine Karte und bürgen sogar mit ihrem Privatvermögen für das Projekt. Schließlich wird doch noch eine zufriedenstellende Lösung gefunden: Die Blutbuche muss zwar weichen, doch Diringer & Scheidel pflanzt als Ausgleich zahlreiche neue Bäume und trägt damit erheblich zur Erneuerung und Aufwer- tung des heutigen Lanz Parks bei. Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz bleiben darüber hinaus in Zukunft wichtige Themen, die Diringer & Scheidel intensiv berücksichtigt und kommuniziert. Das Stadtquartier am Lanzgarten wird zu einem Vorzeigeobjekt von Diringer & Scheidel und avendi, die sich als Pflegeheimbetreiberin auch im Interesse des Stadtteils stark engagiert. Damit schließt sich auch ein Kreis, was die Historie des Standorts betrifft: Denn dort, wo einst nach dem Willen der Mäzenin Julia Lanz kranke Menschen ohne

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL avendi im Kurzportrait Seit ihren Anfängen ist die „Pflegetochter“ avendi längst ein eigener, wichtiger Bestandteil der großen D&S-Familie geworden. Durch die Integration und Vernetzung im Gesamtunternehmen konnten die Pflegeprofis seit 2001 ihr Leistungsspektrum konsequent ausbauen und sind fast überall aktiv, wo auch das D&S-Logo zu finden ist. Mittlerweile bietet avendi vielfältige Lösungen für Senioren an – vom ambulanten Service über betreute Wohnkonzepte bis zur stationären Pflege bringt avendi alle Kompetenzen mit. Durch die innovativen Verbundeinrichtungen bietet avendi auch besonders flexible Angebote, die sich direkt an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Die avendi-Pflegeeinrichtungen basieren auf aktuellen Erkenntnissen in der Pflege – dies gilt für Technik und Ausstattung wie für die Kompetenz der Mitar- beiter. avendi betrachtet die Mitarbeiter als wertvollsten Teil des Unternehmens und arbeitet mit den maximal möglichen Personalanhaltszahlen. Herzlichkeit, Transparenz, Vertrauen, Respekt sowie ein kooperativer Führungsstil prägen die Arbeit in den Teams. 142 Für die Zukunft gilt bei avendi wie überall bei D&S: kein Stillstand. Das große Ziel von 2.000 Betten steht vor Augen – und dann kann der nächste Meilenstein schon kommen. Standorte Service-Wohnen DEHOF-ARKADEN Mannheim-Neuhermsheim, 2001 Service-Wohnen & Pflege am LANZGARTEN Mannheim-Lindenhof, 2003 Service-Wohnen Palais Bose Dessau-Roßlau, 2003 Service-Wohnen & Pflege PARKSTRASSE Ketsch, 2006 Service-Wohnen & Pflege Sandhofer Stich Mannheim-Sandhofen, 2008 Pflege & Wohnen Waldsiedlung Dessau-Kochstedt, 2008 Pflege HAUS BURGBLICK (übern.) Sinsheim-Weiler, 2008 Pflege AM MÜHLBACH (übern.) Bad Überkingen, 2008 Service-Wohnen und Pflege Seniorenresidenz KINZIGALLEE (übern.) Kehl, 2009 Service-Wohnen und Pflege Seniorenresidenz ALTE MÜHLE (übern.) Kehl-Bodersweier, 2009 Pflege RHEINPFALZ-STIFT Waldsee, 2011 Service-Wohnen & Pflege CentroVerde Mannheim, 2013 Service-Wohnen WOHNPARK Niederfeld Mannheim-Niederfeld, 2014 Service-Wohnen & Pflege AN DER WIESENAU Steinbach im Taunus, 2015 Service-Wohnen & Pflege AN DEN DREI MÜHLEN Bad Dürkheim, 2016 Pflege & Wohnen ALTE SCHLOSSGÄRTNEREI Rastede, 2016 Service-Wohnen & Pflege WILHELMSHÖHE Wiesloch, 2018 In der Planungsphase bzw. im Bau befinden sich aktuell drei weitere avendi-Einrichtungen: Pflege IM STEUBENHOF Mannheim, Eröffnung 2022 Pflege AM STEINSBERG Sinsheim, Eröffnung 2022 Service-Wohnen & Pflege LanzCarré Mannheim-Lindenhof, 2009 Pflege AUF DER ALB Böhmenkirch, Eröffnung 2023 Hinzu kommen sechs Betriebe von avendi mobil in Mannheim, Bad Dürkheim, Sinsheim, Kehl sowie in Ostdeutschland in Dessau-Roßlau und Weißenfels. Pflege NECKARHAUS (übern.) Edingen-Neckarhausen, 2009 Service-Wohnen und Pflege Wohnpark AM TÖPFERDAMM (übern.) Weißenfels, 2010 Service-Wohnen & Pflege EDI-WOHNPARK Edingen-Neckarhausen, 2011

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 146 Die Baugrube von Q 6 Q 7. NOCH EINEN SCHRITT WEITER: DAS INNENSTADTQUARTIER Q 6 Q 7 E s ist ein strahlender Herbsttag, und die Sonne scheint auf die Dachterrasse des Radisson Blu Hotels in Q 7. Architekt Dieter Blocher blickt über die Dächer Mannheims zum Wasserturm hinüber und erzählt von seinen ersten Begegnungen mit Heinz Scheidel: „Ich habe ihn 1992 bei einem Vergabegespräch kennengelernt. Danach haben wir uns immer wieder gesehen. Da habe ich ihn schon damals als Typ kennengelernt, der klare Ansagen gemacht hat. Der gesagt hat, ‚bis hierher gehe ich und ansonsten gehe ich eben und habe meinen Kaffee getrunken.‘“ Blocher lacht bei der Erinnerung. „Das fand ich damals schon sehr sympathisch.“ Klare Ansagen und eine gegenseitige Sympathie sind eine gute Basis für die Zusammenarbeit zwischen Dieter Blocher und Heinz Scheidel. Denn ab 2007 beginnen die beiden ein Projekt, an dessen Ende nichts weniger steht als ein ganz neues Stadtquartier, das Mannheim so bislang nicht gesehen hat: die Entwicklung von Q 6 Q 7.

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Heinz Scheidel hat eine extrem große Verbundenheit zu Mannheim und dieses Projekt hat für ihn eine ganz große Rolle gespielt. Die Entwicklung ging über 10 Jahre und das Projekt ist immer weiter gewachsen. Und das alles in einer Phase des wirtschaftlichen Abschwungs. Aber daran erkennt man, wie mutig und verlässlich diese Unternehmer sind. Sie waren die einzigen, die an das Projekt geglaubt haben. Dieter Blocher, Architekt des Stadtquartiers Q 6 Q 7 Bis zum lebendigen Quartier von heute braucht D&S viel Geduld – und eine gehörige Portion Mut. 147 BEREIT FÜR DEN NÄCHSTEN SCHRITT Doch der Weg bis dahin ist weit und wie bei vielen visionären Projek- ten auch steinig. Einige Jahre vorher ist die Entwicklung des Lanz- gartens gerade erst abgeschlossen und Tobias Volckmann ist sich zunächst sicher: „So ein großes Projekt werden wir nicht wie- der machen.“ Und während die Baurezession ab Mitte des Jahr- zehnts langsam abflaut, zeigt sich der Erfolg des Kurses von Diringer & Scheidel – das Unternehmen geht gestärkt aus dieser Phase hervor, hat sein Fundament ein weiteres Mal erweitert. Und so hat Heinz Scheidel auch längst das nächste Großprojekt vor Augen: In den Quadraten Q 6 und Q 7 in der Mannheimer Innen- stadt soll ein Objekt mit gemischter Nutzung realisiert werden, dessen Umfang Architekt Dieter Blocher nur annäherungsweise ausdrücken kann: „So ein Stadtbaustein ist eigentlich eine kleine Stadt in der Stadt. Er verbrennt zunächst mal sehr viel Hirnschmalz. Die Gesamt- fläche ist deutlich größer als das Schloss in Mannheim. Sie ist mehr als 20 Fußballfelder groß und dadurch mit all diesen unterschiedli- chen Kriterien und Nutzungen, die verknüpft und erschlossen werden

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150 Der „Tausendfüßler“ marschiert – Die D&S Unternehmensgruppe etabliert sich Im ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends wird immer besser erkennbar, mit welchem Plan und in welcher Dynamik sich das Familienunter- nehmen Diringer & Scheidel weiterentwickelt hat: Dienstleistungs- und Betreibergesellschaften für die WEG- und Mietverwaltung (ACCURATA), die Hotellerie (ARIVA), die stationäre und ambulante Pflege (avendi) und ab 2002 auch das D&S Gebäudemanagement kommen neu hinzu, ebenso im Bereich Bau und Technik die D&S Rohrsanierung. Der kräftige Zuwachs erfordert in der Folge die Neuzuordnung aller Firmen in unter- schiedlichen Holdingsgesellschaften für Bau- und Dienstleistungen. Daneben existiert seit den 1990ern noch ein weiteres Herzensprojekt von Heinz Scheidel in der Unternehmensgruppe: die Kies- und Baustoff- werke in Löbnitz. Ein Projekt, das mit einem sehr langfristigen Blick betrieben wird, wie Scheidel selbst klar sagt: „Wir haben das Kieswerk vor 30 Jahren gegründet und haben nie Geld rausgezogen, immer wieder Grundstücke gekauft – und so haben wir heute einen Vorrat noch für die nächsten 35 Jahre. Meine Enkel können dort noch kräftig baggern.“ Darüber hinaus verfügt Diringer & Scheidel in Mannheim über ein eigenes Transportbetonwerk. Das Prinzip des „Tausendfüßlers“ wird also weitergeführt. Oder im modernen Wirtschaftsjargon ausgedrückt: Die nachhalti- ge und organische Diversifikation der Unternehmensgruppe zahlt sich aus – für die aktuellen Generationen genauso wie für die nachfolgenden.

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN JAHRZEHNTELANGE SICH AUS ERFAHRUNG ZAHLT müssen, war das eine bis dahin nicht gekannte Herausforderung für uns.“ Um ein solches Megaprojekt zu stemmen, braucht es alle Erfah- rung, die Diringer & Scheidel in seiner langen Geschichte erworben hat, die Expertise mehrerer Generationen – und eine enge Verbin- dung zur Region selbst. Diringer & Scheidel nutzt seine Kontakte, um Grundstücke aufzukaufen, gemeinsam mit der Stadt Bürger- beteiligungen durchzuführen und Genehmigungen einzuholen. Für Tobias Volckmann geht es darum, Geld für ein Projekt zu finden, das auch finanziell alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt: „Ein Q 6 Q 7 mit 350 Millionen als Familienunternehmen zu stemmen, ist schon eine Nummer gewesen.“ Ein wenig Improvisationskunst ist ge- fragt: „Da haben wir Wege gefunden, neue Instrumente geschaffen, Eigenkapital, Private Equity-Kapital hinzugenommen, auch auf ganz neuen Wegen, um das zu realisieren.“ Aufgaben, die umso schwerer werden, als 2008 eine globale Banken- und Finanzkrise die Finanz- märkte in Aufruhr versetzt. Doch alle Hürden werden bewältigt: Wer in den nächsten Jahren durch die Mannheimer Innenstadt läuft, erblickt zunächst die vermut- lich größte Baulücke, die Mannheim seit Kriegsende gesehen hat. Und erlebt dann auf der wohl größten Baustelle seit dem Bau des Schlosses, wie nach und nach ein hochmodernes neues Quartier von der Tiefgarage aufwärts in die Höhe wächst. Bei einem derart umfas- senden Projekt unternimmt Diringer & Scheidel auch erhebliche An- strengungen, um die Menschen mitzunehmen: Eine Agentur wird mit der intensiven Kommunikation für die kommenden Baustellenjahre be- auftragt, mit Anwohnern und benachbarten Händlern sowie der Wirt- schaftsförderung und dem städtischen Verkehrsmanagement steht man kontinuierlich im Austausch. Menschen nutzen ihre Mittagspause dazu, um auf der eigens eingerichteten Besichtigungsplattform „Bau- stellen-Watching“ zu betreiben. Als bei den Arbeiten ein Stück der 151

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 154 historischen Stadtmauer freigelegt wird, finden öffentliche Führungen mit den Archäologen der Reiss-Engelhorn-Museen (rem) statt. Am Bauzaun wird in der Weihnachtszeit ein riesiger Kalender installiert, den Kindergärten und Grundschulen im Rahmen eines prämierten Wettbewerbs Jahr für Jahr gestalten. Bevölkerung und Besucher aus der Region nehmen so regen Anteil an der Entstehung des Quartiers und an den von Diringer & Scheidel mit den beauftragten Agenturen durchgeführten Events, die sich zu Publikumsmagneten entwickeln und zu denen mehrere tausend Besucher kommen. Schließlich vereint das „Stadtquartier“ in 2016 bei seiner terminge- rechten, festlichen Eröffnung 85 Wohnungen, ein Radisson Blu Hotel, eine Shopping Mall, Büros, Arztpraxen, Gastronomie, ein Fitnesscen- ter, 1.376 Parkplätze und den neu gestalteten, öffentlichen „Münz- platz“ als Treff- und Begegnungsstätte. Nicht nur für die Projektent- wickler, Architekten und Kaufleute, vor allem auch für die Frauen und Männer am Bau und ihre beiden Ingenieure in der obersten Etage, die geschäftsführenden Gesellschafter Heinz Scheidel und Karlheinz Heffner, ist dieses Projekt das bis dahin größte in ihrer Geschichte und mithin ein Leuchtturmprojekt für die gesamte Region. Auch der besondere Nutzungsmix ist bis dahin in Deutschland einzigartig für ein Projekt dieser Größenordnung. Für den Mannheimer Oberbürger- meister Peter Kurz ist klar, welche Bedeutung das Großprojekt für die Innenstadt und die Unternehmensgruppe für Mannheim hat: „Di- ringer & Scheidel ist auch ein Stadtgestalter. Da muss man schon sagen: Hut ab, einen solchen Weg zu gehen, der sicher die Stadt bereichert hat.“ Areal Q 6 Q 7: Reste der historischen Stadtmauer, die beim Bau freigelegt werden. Auf der Großbaustelle finden regelmäßige Führungen statt.

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19 9 3 – 2 0 21 | MEHR ALS BAUEN Da wir immer wieder neue Dinge begonnen haben, waren das oftmals wagemutige Schritte. Aber das macht natürlich eine Firma auch spannend und das macht es auch für die Mitarbeiter spannend, dass sie sich immer wieder interessanter Aufgaben annehmen dürfen. Alexander Langendörfer 155 EINE NEUE LIGA F ür Diringer & Scheidel ist das Projekt Q 6 Q 7 richtungsweisend. Mit dem Center und Retail Management kommt die CRM als neue Dienstleistungstochter ins Unternehmen. Der Betrieb des Ra- disson Blu Hotels Mannheim in Q 7 wird durch die ARIVA mit Achim Ihrig an ihrer Spitze übernommen. Dort wird die Verbundenheit mit der Heimatstadt zu einem einzigartigen Konzept, das sich sowohl in der Innenarchitektur als auch in der Zusammenarbeit mit dem inter- national renommierten Fotokünstler und gebürtigen Mannheimer Horst Hamann niederschlägt und bis heute großen Anklang findet. Für das Stadtquartier Q 6 Q 7 wird die Unternehmensgruppe gemein- sam mit dem Architekturbüro Blocher Partners schließlich im Jahr 2017 mit dem renommierten Polis Award ausgezeichnet. Diringer & Scheidel positioniert sich als Player, der auch diese Größenordnun- gen beherrscht. „Wenn Sie das mal gemacht haben“, erläutert Tobias Volckmann, „dann wissen Sie, wie die Instrumente funktionieren, die Ihnen dann das Leben an anderer Stelle leichter machen. Und ein Kepler-Quartier mit einem Projektvolumen von 170 Millionen ist in der Relation schon wieder klein, aber immer noch das Dreifache von dem, wo ich damals gesagt habe, das werden wir nie wieder machen mit dem Lanzgarten…“ So werden große Projektentwicklungen von Diringer & Scheidel in den folgenden Jahren fast schon zu einem alltäglichen Anblick in Mannheim. Vor allem rund um den Bahnhof entstehen mit dem Kep- ler-Quartier, den Stadthäusern Glückstein V, dem Quartier 4 sowie mit LIV. Mannheim und LOKSITE gleich mehrere große Wohn- und Büro-

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL objekte, die die volle Bandbreite von Diringer & Scheidel verdeut- lichen: Von der Projektentwicklung und der Realisation über den Ver- trieb bis hin zum Facility Management und der Immobilienverwaltung wird selbst bei Großprojekten mittlerweile häufig jede Leistung durch eine Tochterfirma von Diringer & Scheidel erbracht. Die verschiede- nen Unternehmensteile greifen ineinander und ergänzen sich. Und nicht nur in der Mannheimer Zentrale, auch in den Niederlassungen werden große Vorhaben abgewickelt. Zum Ende der 2010er Jahre scheint es also, als ob auf allen Ebenen die Zeichen auf weiteres Wachstum stehen. Doch bei den Neckarauern weiß man, dass die Zukunft immer wieder ungeahnte Herausforderungen mit sich bringt, die wir weder voraus- sehen noch einplanen können – eine Lektion, die ihnen in fast 100 Jahren Unternehmensgeschichte immer wieder deutlich gemacht wurde. Die weltweite Corona-Pandemie, die ab 2020 auch Deutsch- land und Mannheim erfasst, ist ein weiterer Beleg für diese Einsicht, auch wenn sie schmerzhafte Veränderungen mit sich bringt. Doch erfahrene „D&Sler“ wie Leandros Kalogerakis haben eine wichtige Lektion schon lange verinnerlicht: „Jede Krise, jede schlechte Zeit bringt natürlich auch Chancen.“ Die Wurzeln nicht vergessen: Im klassischen Baugeschäft bleibt D&S stets aktiv. Hier: Bau der Büroimmobilie LOKSITE. 158

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Das Wichtigste ist das „Wir“ bei D&S: Wir sind eine Familie. Zuhause und hier im Geschäft. Das bestimmt unser tägliches Handeln und ich glaube, das wird auch immer so bleiben. Tobias Volckmann, Mitglied des Management Boards 2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN ALTE UND NEUE TRADITIONEN W enn das Management Board von Diringer & Scheidel zusam- mensitzt, geht es meistens ums Geschäft: große Projekte, wichtige Entscheidungen. Dazwischen bleibt aber auch Zeit für die ein oder andere Anekdote aus der Vergangenheit. Immerhin verbin- det die Familien Scheidel und Heffner traditionell viel: die Mannhei- mer Heimat, die Kirche, die Leidenschaft für den Reitsport. Karlheinz Heffner etwa erinnert sich noch an seine frühesten Kindheitserlebnis- se: „Meine Tante und mein Onkel haben mich aufs Pferd gesetzt, da konnte ich noch nicht laufen,“ erzählt er mit einem Lachen. „Bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr saß ich jeden Tag auf dem Pferd.“ Auch Tobias Volckmann erzählt gern von den Turnieren, auf die er seine drei reitbegeisterten Kinder begleitet – seine Frau Simone ist als geborene Scheidel ohnehin fest im Reitsport verwurzelt. Und Schwie- gervater Heinz Scheidel fasst es prägnant zusammen: „Familie, Ge- schäft, Pferde – das ist alles so eins.“ Neben den dreien sitzt Achim Ihrig und schmunzelt. „Bei der Hoch- zeit meiner Schwägerin Susanne mit ihrem Mann Christian Fackert gab es damals so eine denkwürdige Situation,“ erinnert er sich. „Mein Schwiegervater hat die Brautrede gehalten und über den Bräutigam gesprochen: ‚Na ja, er ist kein Bauingenieur und kein Reiter, aber er ist zumindest aus Mannheim und katholisch.‘ Ich bin dann immer tiefer in meinen Stuhl gerutscht. Was sollte das nur bei mir wer- den? Handballer aus dem Odenwald, BWLer, evangelisch – und au- ßerdem noch eine Pferdeallergie!“ Die Männer müssen lachen. Die Säulen der Neckarauer Familie scheinen zwar klar abgesteckt, aber natürlich werden auch die Neuankömmlinge herzlich aufgenommen. „Es hat letzten Endes auch mit mir geklappt“, ergänzt Ihrig mit einem Augenzwinkern. Und auch der gebürtige Ostwestfale Volckmann sagt von sich selbst inzwischen ganz selbstverständlich: „Ich bin Mann- heimer.“ Die Familie öffnet, vergrößert und verändert sich - und wie immer sind bei Diringer & Scheidel die Familie und die Firma kaum voneinander zu trennen: Auch das Unternehmen hat sich inzwischen weit über seine ursprünglichen Wurzeln ausgestreckt. FAMILIE, GESCHÄFT UND PFERDE 163

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Was wünschen Sie Diringer & Scheidel…? Die dritte und vierte Familiengeneration sitzen im Management Board zusammen und gestalten die Zukunft der Unternehmensgruppe. Wir haben nachgefragt, was die vier sich für die Zukunft des Unternehmens wünschen. 164 Heinz Scheidel, Vorsitzender der Geschäftsleitung Karlheinz Heffner, Geschäftsleitung Technik Ich wünsche mir, dass unsere nachfolgende Generation voll in die Fußstapfen tritt. Dass die Firma weiter erhalten wird. Das ist für mich eine Lebensaufgabe. Es wäre schön, wenn der Name erhalten bliebe, um an die Historie anzuknüpfen. Aber auch, dass es eine Entwicklung gibt, die jungen Leute auch mal etwas anders machen oder auch noch andere Sparten dazunehmen. Ich bin stolz darauf, dass viele unserer eigenen Familienmitglieder da sind – das Management Board stammt ja aus der Familie. Dazu habe ich neun Enkel – ich hoffe, dass die alle sich in der großen Firma wiederfinden, von mir aus jeder in einer anderen Sparte – wir haben genug! Wir wollen kein Geld vererben, sie bekommen eine Firma. Da können sie was draus machen. Ich würde sagen, nochmal hundert Jahre! Wir arbeiten daran, dass aus der nächsten Generation hoffentlich ein paar dabei sind, die das Ganze im Sinne der jetzigen Firmenleitung weiterführen und wahrscheinlich auch mit Veränderungen weiterführen. Den Mitarbeitern wünsche ich, dass sie hier bei uns zufrieden sind, dass sie hier in Rente gehen, was ein sehr gutes Zeichen wäre - dann ist jemand nämlich meistens zufrieden. Vor allem wünsche ich mir, dass wir die Herausforderungen, die in Zukunft auf uns zukommen, die wir vielleicht jetzt noch gar nicht abschätzen können, gemeinsam bewältigen. Das haben wir jetzt 100 Jahre lang geschafft, also ich wüsste nicht, was dagegen- spricht, dass es jetzt nochmal 100 Jahre funktioniert. Interview mit Heinz Scheidel Interview mit Karlheinz Heffner

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN Achim Ihrig, Geschäftsleitung Dienstleistungen Tobias Volckmann, Geschäftsleitung Finanzen 165 Dass alle, so wie wir auch als Familie, weiter stolz sein können, hier im Unternehmen dabei zu sein. Wir sind es, und ich glaube, die Mitarbeitenden sind es auch. Deshalb hoffe ich, dass wir gemeinsam, wenn auch mit etwas Verspätung aufgrund von Corona, das Jubiläum feiern können. Und auch wenn unsere Generation dann vielleicht schon in einem etwas fortgeschrittenen Alter ist, wäre es schön, wenn wir das dann auch zum 125-jährigen Firmenjubiläum gemeinsam mit den Mitarbeitenden wiederholen können und zurückblicken, wie gut sich alles seit dem 100-jährigen entwickelt hat. Den Mitarbeitern wünsche ich, dass sie hoffentlich auch weiterhin Spaß haben. Und dass sie weiterhin diese Leistungen erbringen, die sie in der Vergangenheit erbracht haben. Wir können als Fami- lie nicht alles machen, aber wir haben tolle Mitarbeiterinnen, tolle Mitarbeiter und ich wünsche den Mitarbeitern, dass sie gerade in der heutigen Zeit gesund bleiben und dass deren Lebensziel ebenso dann erfüllt wird wie unseres. Was ich persönlich als einen der wichtigsten Zukunftswünsche ansehe, ist es, auch die nächsten Generationen für das Familien- unternehmen zu begeistern, ohne sie überreden zu müssen, son- dern dass sie aus eigener Überzeugung dabei sind und es genauso mit Freude weiterführen, wie wir es gerade führen. Interview mit Achim Ihrig Interview mit Tobias Volckmann

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Mein Großvater hat immer gesagt: ‚Gebaut wird immer. Du wirst nie arbeitslos, wenn du mit in die Branche gehst.‘ So ist es - aber die Aufgaben verändern sich mit der Zeit. Karlheinz Heffner, Enkel von Heinrich Scheidel und Mitglied des Management Boards NACH DEN ERSTEN HUNDERT JAHREN – DIRINGER & SCHEIDEL IM JAHR 2021 166 Die wichtigste Konstante in 100 Jahren Geschichte ist also Ver- änderung – und jenes Diringer & Scheidel, das 2021 seinen 100. Geburtstag feiert, ist seit den Gründungstagen weit gekommen: Von den inzwischen etwa 3.850 Mitarbeitern sind „nur“ noch etwa 1.900 in Bau und Technik beschäftigt – sie prägen längst nicht mehr nur in Mannheim mit ihren Baumaßnahmen über und unter der Erde das Stadtbild. Neben ihnen stehen inzwischen auch andere Kolle- gen aus in den Jahrzehnten gewachsenen Unternehmensbereichen: Spezialisten der Immobilienwirtschaft für alle Fragen des Bauträger- geschäfts, der Immobilienverwaltung, des Gebäudemanagements und die Betreiber von Hotels und Senioreneinrichtungen sowie Center Manager – von der Projektentwicklung bis zum Betrieb des fertigen Gebäudes ist alles unter einem Dach zu finden. Dazu kom- men auch Profis in der Rohstoff- gewinnung und Produktion von Poren- und Kalksandstein, sowie Ingenieure und Techniker, die Hightech-Roboter anlagen für die grabenlose Kanalsanierung ent- wickeln, bauen und vertreiben, von denen Franz Anton Diringer nicht einmal hätte träumen können. Die heutige Diringer & Scheidel Unter- nehmensgruppe steht daneben auch für professionelle Dienstleistun- gen. Dazu zählen aktuell auch 180 Menschen, die in vier Hotels einen erstklassigen Service für ihre Gäste anbieten, und 1.700 Kolleginnen und Kollegen, die in 21 Einrichtungen für ambulante und stationäre Pflege sowie mit sechs ambulanten Pflegediensten täglich ihr Bestes für die von ihnen betreuten Menschen geben. Drei neue stationäre Pflegeeinrichtungen in Mannheim, Sinsheim und in Böhmenkirch wer- den darüber hinaus 2022 und 2023 eröffnet werden. EINE NIE ERTRÄUMTE VIELFALT

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN In allen Sparten der Unternehmensgruppe wird zentraler Wert auf den Nachwuchs gelegt – und auf Spaß und Begeisterung für die Arbeit. 169 EINE BEWÄHRUNGSPROBE FÜR DIE GESAMTE GRUPPE Es ist eine ausgedehnte Unternehmensgruppe, aber auch eine, die sich bewusst und planvoll weiterentwickelt hat – und sich in Krisen- zeiten bewährt. Denn das Jahr 2021 ruft auch deutlich in Erinnerung, wie schnell unvorhersehbare Ereignisse selbst sorgfältige Planungen über den Haufen werfen können. Die Corona-Pandemie hat auch Deutschland im Griff und trifft einzelne Unternehmensbereiche der Gruppe hart: Die Hotels leiden schwer unter der globalen Pandemie und auch in anderen Branchen wird der Arbeitsalltag erheblich kom- plizierter. Besonders in der Pflege bei avendi wird in diesen Monaten aber auch umso deutlicher, wie viel Einsatz und Aufopferungs- willen die Mitarbeiter unter solch widrigen Umständen zeigen, wie Achim Ihrig, der im Management Board den Dienstleistungsbereich verantwortet, betont: „Das ist enorm – und etwas, was in der Vergangenheit meines Erachtens zu kurz kam. Durch die Pandemie glaube ich, dass mehr und mehr auch die Leis- tungen in der Pflege ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden.“ Darüber hinaus stellen sich trotz guter Auftragslage auch Zukunftsfra- gen für den Bausektor, wie Karlheinz Heffner erläutert: „Jetzt zeichnet sich ab, dass der Bürobau rückläufig ist, weil viele Firmen neue Ge- bäude gebaut oder gekauft haben und Altsubstanz frei wird.“ Doch wie immer bedeuten solche Veränderungen bei Diringer & Scheidel eben auch Chancen. Die Verwirklichung neuer Bürokonzepte und energetischer Anforderungen in Bestandsobjekten wird zu einem neu- en Geschäftsfeld des Baubereichs: „Wir sind im Moment dabei, eine Abteilung für Bauen im Bestand aufzubauen“, so Heffner. „Man muss immer schauen und das Ohr am Markt haben, damit man ein Gefühl kriegt: Wo kommt was, wo geht was?“ Und dieses Gespür hat Dirin- ger & Scheidel sich auch inmitten der unübersichtlichen Pandemie bewahrt: Noch im Jahr 2020 wird mit der Übernahme einer Tief- und Rohrleitungsbaufirma, der Scheven GmbH im rheinischen Erkrath, ein weiterer Wachstumsschritt unternommen – fast 200 Beschäftigte wer- den Teil der D&S-Familie.

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL HERAUSFORDERUNGEN EINER NEUEN ZEIT – NACHHALTIGKEIT BEI DIRINGER & SCHEIDEL 170 Als Familienunternehmen ist ein ganz wichtiger Part, mit dem man sich auseinandersetzen muss: Wie geht es eigentlich weiter? Was kommt nach den Generationen, die jetzt am Ball sind und wie stellt sich ein Unterneh- men für die Zukunft auf? Achim Ihrig, Mitglied des Management Boards D ie Beständigkeit des Unternehmens selbst in schwierigen Zeiten zeigt: Das alte Prinzip des Tausendfüßlers bewährt sich. Die Un- ternehmenssparten stützen sich gegenseitig, die Gruppe marschiert weiter. Doch ein Thema ist so groß, dass es auch in der diversifizierten Unternehmensgruppe alle betrifft: Der Klimawandel und seine Auswir- kungen werden zu einem immer wichtigeren Thema für die gesamte Gesellschaft. Nachhaltigkeit rückt immer stärker ins Bewusstsein von Politik und Wirtschaft. Dabei ist langfristiges Denken für das Familien- unternehmen Diringer & Scheidel eigentlich keine Neuerung. Doch für die Herausforderungen der nächsten Jahre werden diese Stärken im- mer wichtiger werden: mutige unternehmerische Entscheidungen, die nicht auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet sind, sondern innovative Lösungsansätze für die Probleme von morgen entwickeln. Das fängt schon bei grundsätzlichen Themen an, wie Karlheinz Heff- ner erläutert: „Das Thema Rohstoffe, Rohstoffknappheit, wir merken es immer mehr. Es gibt in Deutschland fast keine neuen Genehmigun- gen mehr für Abbau von Kies. Aber Beton funktioniert nun ein- mal nicht ohne, nur mit Zement geht es auch nicht.“ Diringer & Scheidel geht hier mit einem wichtigen Lösungsansatz voran: „Wir waren die erste Firma in Baden- Württemberg, die eine Zulassung für Recycling-Beton bekommen hat – also aus Abbruch-Material wieder Beton herstellt,“ erläutert Heffner stolz. Und auch ein anderer Baustoff bietet sich inzwischen als Lö- sung für das Rohstoffproblem an – ein echter Klassiker: Holz. Diringer & Scheidel zeigt auch hier keine Berührungsängste, schlägt mit der Holzhybridbauweise neue Wege ein und arbeitet auch hinsichtlich anderer Faktoren beständig daran, technische und wirtschaftliche Anforderungen für moderne Gebäude mit Anforderungen an nachhal- INNOVATIVE LÖSUNGS- ANSÄTZE FINDEN.

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN An altbekannter Wirkstätte, in der Mannheimer Innenstadt in N 7, arbeitet Diringer & Scheidel heute in moderner, nachhaltiger Holzhy- bridstruktur. (©blocher partners) 171 Recycling-Beton Mit der Entwicklung einer Rezeptur für nachhaltigen R-Beton (engl.: „recycling concrete“) war Diringer & Scheidel als erstes zertifiziertes Unternehmen in Baden-Württemberg am Start. Dabei ist die Idee dahinter an sich naheliegend: Betonabbruchmaterial auf Baustellen wird wiederverwendet. Herkömmlicher Beton besteht zu 75 % aus Kies und Sand, eine zunehmend knappe Ressource, die zu einem großen Teil beim Recycling-Beton eingesetzt wird. Das mehr- fach zertifizierte und geprüfte Verfahren erlaubt die Produktion von Beton mittlerer Festigkeits- klassen, der sich für Wände, Decken oder Bodenplatten verwenden lässt. Doch ganz so einfach ist die Wiederverwertung des alten Materials nicht: Schadstoffe von älteren Baustellen oder verunreinigtes Material erschweren das Recycling. Um alten Beton nutzbar zu machen, wird im Rheinauer D&S-Transportbetonwerk das angefallene Abbruchma- terial deshalb zerkleinert und sorgfältig gesiebt. Der entstehende Betonsplitt wird dann bei der Herstellung von neuem R-Beton verwendet, dafür wird eine eigene Betonrezeptur eingesetzt. Der Anteil von recyceltem Betonsplitt am neuen Produkt liegt schließlich bei bis zu 50 %. Auf einer Großbaustelle wie beispielsweise seinerzeit dem Mannheimer KEPLER-QUARTIER kann so eine erhebliche Menge Baumaterial quasi zurück an seinen ursprünglichen Ort gebracht werden – und durch eingesparte Entsorgungs- und Deponiekosten ist der Einsatz des ressour- censchonenden Verfahrens sogar kostenneutral. Das 1996 gegründete D&S Transportbetonwerk produziert bereits sehr früh auch R-Beton.

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN 173 In Sinsheim errichtet D&S als Generalunternehmer die Klima Arena, ein bundesweit einzigartiges Erlebniszentrum, das sich den Herausforderungen des Klimawandels widmet. Die Hürden für den Photovoltaikausbau sind allerdings groß: Büro- kratische und technologische Herausforderungen bestimmen dabei den Alltag, während auf anderen Gebieten noch nicht abzusehen ist, wo die Entwicklung in den nächsten Jahren hingehen wird: Ener- giespeicher- und Batterietechniken machen beständig Fortschritte, gleichzeitig wachsen die Anforderungen in der Baubranche. In die- ser Gemengelage bedeutet das für Tobias Volckmann, im Zweifelsfall auch selbst voranzugehen und sich auch privat mit Themen wie Bat- teriespeichern zu beschäftigen: „Wir müssen heute vielleicht manch- mal auch Schritte tun, um einfach ein Gefühl dafür zu bekommen, wie solche Systeme funktionieren.“ Innovation mit einem langfristigen Blick für Nachhaltigkeit – auch wenn die Herausforderungen des Kli- mawandels erheblich sind, die wichtigste Formel für ihre Bewältigung ist bei Diringer & Scheidel schon bekannt. tiges Bauen zu verbinden. Mit der bundesweit einzigartigen „Klima- Arena“ in Sinsheim kommt in den letzten Jahren auf diesem Gebiet auch eine herausragende Referenz hinzu. Doch Umwelt- und Klimaschutz enden nicht beim Thema Rohstoffe. Moderne Baustellen und die dort eingesetzten Großgeräte sind enorm energiehungrig und erlauben in ihren eng getakteten, aufeinander ab- gestimmten Prozessen nur wenig Spielraum für Verzögerungen. To- bias Volckmann, der sich im Management Board verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, erklärt das Problem: „Sie können schlecht von 0 auf 100 gehen und morgen von sich behaupten: ‚Ich bin völlig energieneutral‘, dazu ist unser Bereich viel zu energieinten- siv.“ Gefragt sind vielmehr überlegte, langfristige Lösungen. Den Anfang macht Diringer & Scheidel mit kleineren Maßnahmen: Zwar fahren die Bagger im Gelände noch mit Diesel, doch ein wach- sender Teil des Fuhrparks für die Straße wird bereits durch Elektroau- tos ersetzt. Deutlich ambitionierter sind aber die Ziele, wenn es um die Versorgung dieser Autos und der gesamten Unternehmensgruppe mit Strom geht. „Wir versuchen, die Potenziale für Photovoltaik- Flächen, die auf unseren vorhandenen Objekten da sind, zukünftig zu nutzen – und in der Zukunft auch bei neuen Projektentwicklungen direkt zu nutzen“, erläutert Volckmann. Eine eigene Gesellschaft, H&S Energy, erschließt mittlerweile planmäßig vorhandene Potenziale. Denn die Zielsetzung ist klar: „Wir wollen diese Flächen nachhaltig nutzen, um unseren eigenen Energiebedarf möglichst durch grünen Strom ausgleichen zu können.“ Auch in Löbnitz werden inzwischen Photovoltaik-Anlagen betrieben, die dazu beitragen, den Energiebe- darf der Werke zu decken. VERÄNDERUNG FINDEN POTENZIALE FÜR

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL MANNHEIM NEU GESTALTET Mit dem LanzCarré nimmt die weitere Entwicklung des Glückstein- Quartiers südlich des Bahnhofs Fahrt auf. Gemeinsam mit der Stadt Mannheim, der DB und dem Entwickler FAY lobt D&S zunächst den städtebaulichen Wettbewerb für das Gebiet aus. An den später von der Stadt für die einzelnen Baufelder ausgelobten Architekten- und Investorenwettbewerben, die anonymisiert durchgeführt werden, nimmt D&S erfolgreich mit den Architekten Schmucker und Partner, Blocher Partners, Sacker Architekten sowie Lepel & Lepel teil und gestaltet so das Glückstein-Quartier entscheidend mit. 174 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Quartier Q 6 Q 7 KEPLER-QUARTIER Quartier4 GLÜCKSTEIN V LIV. Mannheim LOKSITE Glückstein-Carré LanzCarré Stadtquartier „Am Lanzgarten“ 1

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Man hat eine soziale Verantwortung für die Leute, die kennen uns. Wir haben ein Gesicht. Die Leute wissen: Wir sind im Geschäft, das sind die Inhaber. Heinz Scheidel, Mitglied des Management Boards 176 VERTRAUEN UND VERANTWORTUNG – DAS FAMILIENUNTERNEHMEN D&S D ie Herausforderungen für die Zukunft sind also groß, und sie setzen voraus, Verantwortung zu übernehmen. Doch was „Ver- antwortung“ eigentlich ausmacht, scheint in den letzten Jahren vieler- orts hinter wortreichen Marketing-Kampagnen und Corporate Social Responsibility-Buzzwords in den Hintergrund zu treten. Bei Diringer & Scheidel allerdings gönnt sich niemand den Luxus, Verantwortung zu delegieren: Das Unternehmen ist nicht nur auf dem Papier ein Fa- milienbetrieb, sondern lebt diesen Begriff trotz des Wachstums der letzten Jahrzehnte ganz konkret – und trägt ihn auch über das Ma- nagement Board hinaus tief ins Unternehmen hinein. Was das bedeutet, erklärt Geschäftsführer Alexander Langendörfer: „Obwohl wir mit unserer Größe mittlerweile der klassischen Familien- unternehmung entwachsen sind, herrscht dieser Geist nach wie vor in der Firma: Wir haben offene Türen. Wir haben einen fairen Umgang miteinander.“ Eine besondere Atmosphäre, die auch bei den Men- schen ankommt, so Langendörfer weiter: „Auch die jungen Mitarbei- ter, die zu uns kommen, werden immer sehr schnell integriert und de- nen macht es Spaß. Wir haben einen positiven Geist und den haben wir über die Jahrzehnte erhalten. Solange ich dabei bin, war immer ein produktiver, familiärer, aber auch ehrgeiziger Geist in der Firma. Und den versuchen wir auch in die Zukunft so weiterzutragen.“ Ent- scheidend für die Glaubwürdigkeit dieser Haltung ist, wie konsequent EIN NAME, DER sie auf allen Unternehmensebenen gelebt wird, wie sich Betriebsrat Hans-Jürgen Hettinger erinnert: „Die Firma war immer hilfsbereit zu jedem der Mitarbeiter, wenn er loyal war. Das betrifft die Mitarbeiter durch die Bank weg.“ Bereitwillig Verantwortung zu übernehmen, gehört bei Diringer & Scheidel also zum Markenkern – eine Eigenschaft, die sich herum- spricht. Immerhin ist das Unternehmen an mehreren Standorten ein wichtiger Arbeitgeber und darauf angewiesen, Nachwuchs für seine Unternehmensbereiche zu begeistern, von denen einige seit Jahren mit Nachwuchsproblemen kämpfen. Der Ruf als fairer und zuverläs- siger Arbeitgeber ist hier ein ech- ter Wettbewerbsvorteil. Und auch bei den Geschäftspartnern spie- geln sich dieses Vertrauen und die Verantwortung des Familienunternehmens wider, wie Gesellschaf- terin Elisabeth Heffner erzählt: „Es wird von den Kunden geschätzt, dass sie immer mit den Eigentümern direkt zu tun haben - im Gegen- satz zu den Großfirmen, wo immer wieder ein anderer da ist. Da war mein Vater anerkannt, mein Bruder auch.“ Gleichzeitig macht sie mit einem kurzen Satz klar, welche Herausfor- derung in Wirklichkeit hinter dieser einfachen Idee steckt: „Man muss da sein.“ Eine aus dem Geschäft zurückgezogene Eigentümerfamilie, VERTRAUEN SCHAFFT

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN Oben: Hilfe vor Ort – Gemeinsam mit dem Mannheimer Morgen unterstützt D&S soziale Projekte direkt in Mannheim. Unten: Aktiv für die Zukunft – Für die Sport förderung von D&S setzt sich auch Achim Ihrig ein. 177 Verantwortung vor Ort – Diringer & Scheidels Engagement für die Gesellschaft Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen, ist bei Diringer & Scheidel keine Entscheidung von PR-Profis, sondern ein natürlich gewachsenes Erbe. In den Gründungsjahren kennt man sich in Neckarau, unterstützt sich gegenseitig in schwierigen Zeiten – das ist bis heute so geblieben und geht inzwischen weit über Neckarau hinaus. Das private Engagement der Gesellschafterfamilien von Diringer & Scheidel in Kirche und Vereinen, vor allem aber auch in sozialen Projekten zugunsten von Kindern ist ein Ausdruck ihrer Verbundenheit mit ihrer Heimat. Und während das Unternehmen wächst, wächst auch die Reichweite der Solidarität. Familientypisch unterstützt Diringer & Scheidel an vielen Stellen mit kleineren und größeren Fördermaßnahmen. Durch den begeisterten Handballer und Basket ball-Fan Achim Ihrig rücken auch diese Sportarten mehr in den Fokus. Entscheidend ist für Ihrig aber die Bedeutung, die sich zusätzlich für ein Unter- nehmen mit Sponsoring-Maßnahmen verknüpft: „Es geht darum, dass man auch als Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung im Sport, auch im Profisport, hat. Dazu entsteht durch die sportliche Komponente auch ein Netzwerk, was sich bei uns im Unternehmen auch schon durchaus positiv aus- gewirkt hat.“ Und eine zusätzliche Chance bietet das Sponsoring auch für Toch- terfirmen, so Ihrig weiter: „Wir legen mehr und mehr Wert darauf, dass unsere Tochterunternehmen – die Hotels, die Pflege, eine ACCURATA als WEG-Ver- waltung und Mietverwaltung – präsenter werden, selbst ohne das D&S-Logo.“ Daneben unterstützt das Unternehmen soziale Zwecke wie etwa die „Wir wollen helfen“-Aktion des Mannheimer Morgens, aber auch zahlreiche andere Einrich- tungen seit vielen Jahren immer wieder mit großzügigen Spenden. „Wir wollen mit unseren Spenden der Gesellschaft etwas von unserem Erfolg zurückgeben“, erklärt Heinz Scheidel. Im Jubiläumsjahr unterstützt Diringer & Scheidel zusätz- lich zum bestehenden Engagement mit nochmals 100.000 Euro – 1.000 Euro für jedes Jahr des Bestehens - weitere Projekte, die sich dem physischen und psychischen Wohl von Kindern widmen und sich für eine kindgerechte, gesunde Umwelt einsetzen.

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN 179 IMMER OFFEN DIE TÜREN STEHEN die Verantwortung in die Hände externer Manager gibt, widerspricht dem Selbstverständnis von Diringer & Scheidel. Dabei geht es nicht darum, alle Entscheidungen in den Händen der Eigentümerfamilie zu bündeln, im Gegenteil: Als das Unternehmen im Laufe der Jahr- zehnte immer weiter wächst, ist sein Erfolg auch abhängig von enga- gierten Führungskräften und Mitarbeitern auf allen Ebenen, die es mit ihrem Elan und ihren Ideen immer weiter voranbringen – eine Kultur, die durch die Gesellschafter stets gefördert und gestärkt wird. Ent- scheidend ist das klare Bewusstsein für Verantwortung, das vorgelebt wird: Kurze Entscheidungswege und ein direkter Draht zur Eigen- tümerfamilie sind bis heute nicht nur möglich, sondern essenziell für die Unternehmenskultur, was Karlheinz Heffner deutlich macht: „Wenn man eine persönliche Beziehung oder einen menschlichen Draht hat, dann geht man ganz anders mit den Dingen um, als wenn man bloß in der zwölften Etage sitzt und mit den Leuten überhaupt keinen Kontakt hat und sie nur als Nummern oder als irgendwelche no names sieht.“ Diese Firmenkultur ist für Diringer & Scheidel auch über das eigene Unternehmen hinaus zum wichtigen Maßstab geworden. Bei wichti- gen Projekten und großen Partnerschaften steigen sie nur ein, wenn sie mit Eigentümern oder Entscheidungsträgern direkt an einem Tisch sitzen können. Die langsam mahlenden Mühlen von kleinteilig ausge- fransten Abteilungen und unklaren Entscheidungsverfahren decken sich nicht mit der Entschlossenheit und langfristigen Perspektive der Firma. Für Karlheinz Heffner liegt hier die entscheidende Stärke des Familienunternehmens: „Ein fremder Manager entscheidet über frem- des Geld, nicht seines. Der schaut, dass er möglichst in seinem Ver- tragszeitraum gute Ergebnisse liefert, und denkt nur in diesen Zeit- räumen. Hier bei uns ist es ein bisschen anders: Wir denken nicht nur in Drei- oder Fünf-Jahresabschnitten, sondern eben in Zehn- oder in Zwanzig-Jahresabschnitten.“

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Da bahnt sich ein Umbruch an, das ist ganz klar. Es läuft jetzt nichts übers Knie gebrochen, es ist alles gut durchdacht, aber da tut sich auf jeden Fall etwas. Manuela Kühn, Leiterin Zentralverwaltung und Organisation avendi 100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 180 EIN SCHRITT IN DIE ZUKUNFT – DIE WEITERGABE DES D&S-FIRMENERBES U m solche Zeiträume zu überblicken, muss die Perspektive von Diringer & Scheidel naturgemäß über einzelne Personen hin- ausgehen. Einzelne Führungspersönlichkeiten an der Spitze können ein Unternehmen voranbringen. Doch für eine Entwicklung von über 100 Jahren braucht es mehr als nur visionäre Entscheidungsträger. Es braucht die Fähigkeit, Kompetenzen nicht nur zu haben, sondern sie auch an die nächste Generation weiter- und abzugeben. Der Ge- nerationenwechsel ist so eine ganz besondere Herausforderung für ein Familienunternehmen. Er wird zum Gradmesser für den Zusam- menhalt innerhalb der Familie, aber auch für die Identifikation der Mit- arbeiter mit ihrem Unternehmen. Dieser hohen Messlatte gerecht zu werden, gelingt bei Diringer & Scheidel durch eine planvolle Vertei- lung von Verantwortung auf mehrere Schultern und einen langfristigen Plan für die Führung der Unternehmensgruppe, der schließlich mit der Gründung des Management Boards weitergeführt wird. Dabei sind die Neckarauer schon lange daran gewöhnt, Entschei- dungen als Familie zu treffen. Der heimische Mittagstisch in der Max- straße ist so der eigentliche erste „Aufsichtsrat“ des Unternehmens – Privates und Geschäftliches werden im Hause Diringer nicht ge- trennt. Hausherrin Elisabeth Diringer ist auch lange nach dem Tod ihres Mannes der Mittelpunkt des Familienlebens. Und auch nach ihrer Zeit bleibt diese enge Verbindung der Familie erhalten, wie sich Tobias Volckmann erinnert: „Wir haben oft das tägliche Mittagessen zu Hause bei der Schwiegermutter [Eva Scheidel] gehabt. Da finden dann auch Entscheidungen beim Mittagessen, am Abendbrotstisch

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN oder wo auch immer statt.“ Und natürlich wird dabei auch lebhaft dis- kutiert, so Volckmann weiter: „Es gibt auch Phasen, wo man heftige Diskussionen hat. Aber das stärkt ein Unternehmen. Das braucht ein Unternehmen. Und eine Geschäftsführung, auch wenn sie aus Fa- milienmitgliedern besteht, ohne Konflikte, ohne Widerspruch, ohne Reibereien – wenn das so wäre, würde es uns vielleicht heute nicht mehr geben.“ Nachfolgende Generationen werden also von Beginn an ins Unterneh- men integriert und erhalten so ihrerseits schnell große Verantwortung – ein Prinzip, dass schon Franz Anton Diringer mit seinem Schwieger- sohn Heinrich Scheidel und dieser mit seinem Sohn Heinz erprobt ha- ben. Dass dieser Übergang so gelingen kann, ist aber keine Selbst- verständlichkeit. Für Markus Brechwald, der 1999 als Geschäftsführer zur damals neu gegründeten Rohrsanierung stößt, ist die Entwicklung deshalb umso beachtlicher: „Das ist die Sache, die mich am meis- ten beeindruckt hat. Vom obersten Stein der Pyramide, den der Herr Scheidel 1999 sicherlich uneingeschränkt dargestellt hat, gibt es heu- te eine kleine Plattform, die aus mehreren Steinen besteht. Das wird gelebt. Herr Scheidel bleibt eine Identifikationsfigur, aber er hat es auch geschafft loszulassen und zu übertragen.“ EIN FLIESSENDER ÜBERGANG Zusätzliche Bedeutung bekommt dieser schrittweise Generationen- wechsel aber auch dadurch, dass sich das Unternehmen in den ver- D&S prägt weiterhin ganze Stadtquartiere, so wie hier in Heidelberg an der Kurfürstenanlage das Goethe-Quartier (Planung: Blocher Partners). 181

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL Ein besonderes Hobby, ein besonderes Erbe In unmittelbarer Nachbarschaft zur Diringer & Scheidel-Zentrale be- finden sich die alten Werkhallen der Seilwolff AG. Auf 10.000 Quadrat- metern hinter Backsteinen und roten Ziegeln erstreckt sich hier eine Welt, die weit entfernt scheint von den Neckarauer Industrieanlagen: die private Kutschensammlung von Heinz Scheidel. Die Sammlung beginnt, wie vieles in der Geschichte der Scheidels, mit der Leidenschaft des jungen Heinz für Pferde. Als er aber in den 1960er Jahren nicht nur reiten, sondern auch fahren möchte, muss er feststellen, dass zu dieser Zeit kaum neue Kutschen hergestellt werden. Er sucht also nach älteren Kutschen und macht daraus schließlich ein lebenslanges Hobby. Die Begeisterung für die hohe Handwerkskunst der Kutschenfertigung lässt ihn immer weiter sammeln, bis er schließlich eine der größten privaten Sammlungen der Welt zusammengebracht hat: über 500 Kutschen aus drei Jahrhunderten, vom Ackerwagen bis zur kaiserlichen Prachtkarosse. Für die Sammlung, über die bereits zwei Bücher veröffentlicht wurden, wird aktuell eine eigene Stiftung für ihre langfristige Erhaltung gegründet. 182 gangenen Jahrzehnten weit diversifiziert hat. Eine einzelne Person an der Spitze kann die zahlreichen Aufgaben kaum bewältigen. Doch bei Diringer & Scheidel fügt sich diese Herausforderung fast schon selbstverständlich zu einer passenden Arbeitsteilung in der nächsten Generation, wie Karlheinz Heffner beschreibt: „Mein Schwerpunkt liegt auf dem Baubereich, Hochbau, Tiefbau, der ganze Rohrleitungsbau. Ich bin in das Thema reingewachsen und bin darin groß geworden. Tobias Volckmann ist der kaufmännische Geschäftsführer und Achim Ihrig macht schwerpunktmäßig die Projektentwicklung und daraus entwickelt die Dienstleistungen mit Pflege und Hotels. So haben wir es uns aufgeteilt und es war naheliegend, dass wir das so machen.“ Das Management Board, das schließlich 2014 entsteht, formalisiert die Kooperation auf Augenhöhe: Heinz Scheidel, Karlheinz Heffner, Tobias Volckmann und Achim Ihrig stimmen alle wichtigen Entschei- dungen untereinander ab – quasi als Weiterentwicklung des ur- sprünglichen Diringer-Mittagstischs. Doch die Familie überlässt auch darüber hinaus nichts dem Zufall: Ein Gesellschaftervertrag stellt für die kommenden Generationen sicher, dass die Entscheidungsprozes- se im Unternehmen dynamisch bleiben und das Unternehmen nicht aufgeteilt oder in seiner Entwicklung gelähmt werden kann. Auch die nachfolgende Familiengeneration steht schon in den Startlöchern, um Verantwortung in der Firma zu übernehmen. Diringer & Scheidel bleibt ein Familienunternehmen – mit Strukturen, die auch im 21. Jahr- hundert Bestand haben werden und auf die sich Kunden und Be- schäftigte gleichermaßen verlassen können.

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2021+ | DIE ZUKUNF T GESTALTEN AN DEN WURZELN – TRADITION UND MODERNE VEREINT W er schließlich nach 100 Jahren Geschichte verstehen möchte, was Diringer & Scheidel eigentlich ausmacht, bekommt die beste Antwort vielleicht auf der Dachterrasse von Heinz Scheidel. Sein Büro in der Wilhelm-Wundt-Straße liegt heute deutlich höher als die ersten Bürogebäude, die hier vor Jahrzehnten noch standen. Doch wenn Seniorchef Scheidel einem von hier aus die Dächer Neckaraus zeigt, entfalten sich allerlei Bilder und Geschichten aus diesen ver- gangenen Zeiten: Die Dächer des ersten großen Industrieauftrags im Walzwerk liegen nur einige hundert Meter entfernt. Der Kirchturm, auf den Vater Heinrich ihn einst als Kind mit hinaufnahm, ist von hier aus zu sehen. Zu jeder Straßenecke kann Heinz Scheidel etwas erzählen, erinnert sich an einen Verwandten, der dort gewohnt hat, an einen Mitarbeiter, für den ein Grundstück organisiert wurde, eine Baustel- le der Firma. Und auf der Südseite strahlt die Sonne zwischen den imposanten alten Schornsteinen des Großkraftwerks hindurch – dem Nachbarn, mit dem Diringer & Scheidel seit Jahrzehnten immer wie- der eng zusammengearbeitet hat. 183 Im bildlichen Vergleich wird die dynamische Entwicklung sichtbar: oben der D&S Bauhof 1954 … rechts 1970 …

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 186 Wir sind hier und wir bleiben auch hier. Heinz Scheidel EINE GROSSE FAMILIE Es ist ein deutlicher Ausdruck für die tiefe Verwurzelung der Firma mit ihrer Heimat. Das Herz des Unternehmens findet sich aber nicht beim Blick über die Dächer, sondern direkt unter der Dachterrasse: Der Bauhof von Diringer & Scheidel liegt immer noch hier, direkt neben den modernen Gebäuden der Zentralverwaltung. Die Arbeiter müs- sen zwar schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr Lohntüten abholen kommen, aber die enge Verbindung von Bauhof und Büros gehört bei Diringer & Scheidel immer noch dazu. Es ist ein Mikrokosmos der „D&S-Welt“ und ihrer Geschichte. Eine Welt, in der die Nachfahren von Franz Anton Diringer bis heute die Zukunft gestalten. Hier schließt sich der Kreis einer Familie und eines Unternehmens, die ihre Wurzeln nicht vergessen: Auf dem Bauhof bringt Heinz Scheidel höchstpersönlich der Enkelgeneration schon in frühen Kindertagen das Baggern bei. Mittlerweile zwölf Enkelinnen, Enkel, Groß- neffen und -nichten haben die- se Schule durchlaufen, aber die insgesamt sechs Familien mit ihren verschiedenen Nachkommen kommen nicht nur hier zusammen: An- lässlich ihres jährlich stattfindenden D&S-Familientreffens besuchen „Jung und Alt“ an einem verlängerten Wochenende gemeinsam in- teressante Standorte der Gruppe, die Mitglieder des Management Boards erzählen aus ihrem Berufsalltag und ihren Bereichen und mit den Älteren der potenziellen Nachfolgeriege diskutiert man bereits ganz familientypisch intensiv unternehmensrelevante Themen und löst gemeinsam gestellte Aufgaben. Daneben kommen aber auch Spaß und Geselligkeit an diesem Wochenende nicht zu kurz. Das spielerische Prinzip „früh übt sich“ verfängt offensichtlich: Die ältesten von Heinz Scheidels jungen „Schülerinnen und Schülern“ studieren mittlerweile Fächer, die sie auf eine Karriere in der Firma vorbereiten. Auch viele der jüngeren Geschwister planen ihrerseits schon ihre Zu- kunft im und mit dem Familienbetrieb. Denn für diese Zukunft ist ge- sorgt, wie Heinz Scheidel mit einem Schmunzeln erklärt: „Arbeit gibt’s jedenfalls genug für jeden.“

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL 190 DANKSAGUNG E in Buch ist wie ein Unternehmen immer die Arbeit vieler Köpfe und Hände. Auch das Zustandekommen dieser Publikation ist nur möglich gewesen, weil zahlreiche Menschen aus der Diringer & Scheidel-Familie angepackt und uns bei der enormen Aufgabe unter- stützt haben, 100 Jahre Geschichte kompakt in diesem Buch zusam- menzubringen. Unser besonderer Dank gilt den Zeitzeugen, die bereitwillig ihre Erin- nerungen und Geschichten mit uns geteilt haben. Dies sind in alpha- betischer Reihenfolge: Michael Baumann, Dieter Blocher, Markus Brechwald, Albert Geschwill, Andreas Graupner, Roland Hartung, Georg Haser, Elisabeth Heffner, Hans-Jürgen Hettinger, Claudia Hofmann, Willi Hofstetter, Leandros Kalogerakis, Karl Knapp, Manuela Kühn, Helmut Kummer, Dr. Peter Kurz, Dieter Lacroix, Alexander Langendörfer, Bernd Modrey, Dr. Georg Müller, Roland Sammler, Karl Schmucker und Traude Weber. Unser Dank gilt darüber hinaus den Historikern und grafischen Gestaltern dieses Buches: Dr. phil. Ingo Stader, Dr. phil. Max Schlenker und Hannes Elstermann von der Agentur H&C Stader History Communication sowie Nizar Smailagic, Jana Konrad und Walter Besenfelder aus dem Team der Agentur artbox egghead. Außerdem danken wir in unserem Haus Ilona Wehe und Luca Probst für die aufwändige Organisation und Koordination der Gespräche, sowie Beate Baumann und Christian Munsch mit ihren Teams aus Unternehmenskommunikation und Gesamtmarketing, die gemeinsam mit uns ins Abenteuer „100 Jahre D&S“ aufgebrochen sind: Amelie Werner, Bennet Bergmann, Katharina Fischer, Svenja Grüter, Heike Flick-Hamacher, Anna Plotzky, Joe Tremmel, Monique Volckmann und Natascha Zacherle. Trotz allen Bemühens ist es nahezu unmöglich, darüber hinaus allen zu danken, die Fotos, Unterlagen oder ihre ganz persönlichen Erinne- rungen gesammelt und mit uns geteilt haben. Auf allen Ebenen und aus allen Bereichen der Unternehmensgruppe sind Geschichten zu- sammengekommen, wurde Input geliefert und vor allem immer wieder gezeigt, welche Begeisterung und Identifikation für „D&S“ sich durch alle Generationen der Familie und unserer aktuell oder ehemals Be- schäftigten zieht. Unser letzter Dank gilt deshalb allen, die in über 100 Jahren Diringer & Scheidel mitaufgebaut haben. Teil eins der Geschichte haben wir so gut wie möglich aufgeschrieben – wir sind sicher, dass eine Fortsetzung folgt. Das D&S Management Board Heinz Scheidel Karlheinz Heffner Achim Ihrig Tobias Volckmann

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL BAUUNTERNEHMUNG ROHRSANIERUNG D&S BAUUNTERNEHMUNG Hauptsitz Mannheim, bundesweit 7 Niederlassungen www.dus-bau.de Hoch- / Schlüsselfertigbau / Bauen im Bestand, Industrie-/Ingenieurbau, Tief-, Straßen- und Rohrleitungsbau, Kabelleitungsbau, Sanierung/Restaurierung Kompetenzcenter für Gleisbau (Standort Aschaffenburg) Kompetenzcenter für Berstlining und Deponiesanierung (Standort Dessau-Roßlau) D&S BAUUNTERNEHMUNG RHEIN-MAIN Sitz in Aschaffenburg www.dus-rhein-main.de Tief-, Straßen- und Rohrleitungsbau, Kabelleitungsbau SCHEVEN Sitz in Erkrath www.scheven.gmbh Tief-, Straßen- und Rohrleitungsbau, Kabelleitungsbau, Industriesanierungen, Edelstahlverarbeitung für die Industrie PROJEKTENTWICKLUNG D&S WOHN-UND GEWERBEBAU Hauptsitz Mannheim, 3 Niederlassungen www.dus-immobilien.de Projektentwicklung, Bauträgerschaft, schlüsselfertige Vermarktung/Vermietung von Wohn- /Gewerbeimmobilien, Senioren- und Service-Immobilien D&S ROHRSANIERUNG Hauptsitz Mannheim, bundesweit 8 Niederlassungen www.dus-rohr.de Grabenlose Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsverfahren für Freispiegelleitungen und Bauwerke D&S DRUCKROHRTECHNIK Hauptsitz Mannheim, 1 Niederlassung www.dus-druckrohrtechnik.de Grabenlose Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsverfahren für Druckrohrleitungssysteme ROTECH Italien Sitz in Freienfeld (BZ), Italien www.rotech.bz.it Grabenlose Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsverfahren für Freispiegelleitungen und Druckrohrleitungssysteme und Bauwerke D&S REHATUBE Sitz in Schenken, Luxemburg www.dus-rohr.de Grabenlose Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsverfahren für Freispiegelleitungen und Druckrohrleitungssysteme und Bauwerke 196 Alles aus einer Hand – die D&S-Unternehmensgruppe im Überblick Nach über 100 Jahren ist Diringer & Scheidel eine diversifizierte Unternehmensgruppe. Und das Wachstum geht weiter: Der Blick auf die Gruppe heute ist nur eine kurze Momentaufnahme in der dynamischen Entwicklung.

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TST ROBOTICS Sitz in Behren-Les-Forbach, Frankreich www.tst-robotics.fr Grabenlose Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsverfahren für Freispiegelleitungen und Druckrohrleitungssysteme und Bauwerke D&S ROMANIA Sitz in Ploiesti, Rumänien www.dus-romania.com Grabenlose Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungsverfahren für Freispiegelleitungen und Druckrohrleitungssysteme und Bauwerke TECHNIK PIPETRONICS Sitz in Stutensee, 4 Produktions- bzw. Stützpunkte www.pipetronics.de Entwicklung, Produktion und Vermarktung von innovativen Robotern zur grabenlosen Kanalsanierung einschließlich erforderlicher Kameratechnik und systemabhängigem Fahrzeugaufbau, sowie weitere Produktkomponenten und Innendichtsysteme BAUSTOFFE KIESWERK Löbnitz Sitz in Löbnitz www.kieswerk-loebnitz.de Gewinnung von Kiesen und Sanden BAUSTOFFWERKE LÖBNITZ Sitz in Löbnitz www.bwloebnitz.de Produktion und Vertrieb von Baustoffen, insbesondere Poren- und Kalksandstein TRANSPORTBETONWERK MANNHEIM Herstellung von Transportbeton und Recyclingbaustoffen DIENSTLEISTUNG avendi Senioren Service Hauptsitz Mannheim, bundesweit 21 Standorte www.avendi-senioren.de Entwicklung und Betrieb von Stationären / Ambulanten Pflegeeinrichtungen und Senioren-Service-Wohnanlagen PIPE-AQUA-TEC Hauptsitz in Gelsenkirchen, 1 Service-Stützpunkt www.pipe-aqua-tec.de Vertrieb des BlueLine® Rohrleitungssystems für die grabenlose Erneuerung von Druck- und Trinkwasser- leitungen einschl. Fahrzeugaufbau und technischer Supportleistungen ARIVA Hauptsitz Mannheim mit 4 Hotelstandorten www.ariva-hotel.de Entwicklung und Betrieb von Hoteleinrichtungen D&S GEBÄUDEMANAGEMENT Hauptsitz in Mannheim, 2 weitere Standorte www.dus-gm.de Ganzheitliches, technisches, infrastrukturelles und kaufmännisches Facility Management für gewerblich und privatwirtschaftlich genutzte Immobilien ACCURATA Immobilienverwaltung Sitz in Mannheim www.accurata.de Property Management für privatwirtschaftlich und gewerblich genutzte Immobilien 197 OCC Management Hauptsitz in Mannheim, 1 weiterer Standort www.occ-gmbh.de Office Competence Center für Planungsleistungen und ganzheitliche Projektsteuerung einschl. Flächen- und Umzugsmanagement bei Modernisierungen/ Umnutzungen von Büroimmobilien im Bestand CRM – Center & Retail Management Sitz in Mannheim www.crm-retail.de Entwicklung und Betrieb von Einzelhandels- und gemischt genutzten Immobilien

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100 JAHRE DIRINGER & SCHEIDEL IMPRESSUM Herausgeber DIRINGER & SCHEIDEL GmbH & Co. Beteiligungs KG Wilhelm-Wundt-Str. 19 | 68199 Mannheim Konzeption und Recherche H&C Stader GmbH History & Communication www.hcstader.de 198 Autoren Hannes Elstermann, H&C Stader GmbH History & Communication Dr. Ingo Stader, H&C Stader GmbH History & Communication Text- und Bildredaktion Beate Baumann, Christian Munsch DIRINGER & SCHEIDEL Unternehmensgruppe Dr. Max Schlenker, Dr. Ingo Stader H&C Stader GmbH History & Communication Gestaltung artbox egghead Werbe- und Medienagentur Zeiloch 6 | 76646 Bruchsal www.artbox.de Gesamtprojektleitung H&C Stader GmbH History & Communication Bildnachweis Sofern nicht anders angegeben liegen alle Bildrechte bei der DIRINGER & SCHEIDEL Unternehmensgruppe. Mit freundlicher Genehmigung verwendet wurden Bilder des MARCHIVUM Mannheim (Seiten 13, 14, 16, 22, 32, 34) und von: Bennet Bergmann (Seite 25), Blocher Partners (Seiten 156, 171, 181), Steffen Fuchs (Seite 157), Konstantin Groß (Seiten 24, 41) Axel Heiter (Seite 149), Robin Heller (Seite 126), Thomas Kauffelt (Seiten 146, 154), Andreas Klumb (Seiten 171, 172, 185), Werner Krüper (Seiten 141,142,150), MLP Academics Heidelberg (Seite 177), Manuel Naharro (Seite 143), Walter Neusch (†) (Seite 126), Johannes Vogt (Seiten 75, 100-103, 132, 133, 135, 143, 145, 147, 150-153, 156-157, 164-165), Patricia Parinejad (Seite 150), Benjamin Pritzkuleit (Seiten 129, 131, 151), Thomas Raffler (Seiten 6, 135, 136, 139, 140, 158, 173), Sebastian Ringel (Seite 145), Kay Sommer (Seiten 26, 175), Joe Tremmel (Seite 113), Thomas Tröster (Seite 177), Dirk Wolfgramm (Seite 157). Druck STORKDRUCK GmbH Industriestr. 30 | 76646 Bruchsal Disclaimer Um einen besseren Lesefluss zu ermöglichen, verwenden wir in unseren Texten nach Möglichkeit nur eine Gender-Form. Falls nicht ausdrücklich anders ange- geben, beziehen sich die Aussagen selbstverständlich sowohl auf weibliche als auch auf männliche und geschlechtsneutrale Personen. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, alle Rechte, auch die der Überset- zungen, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buchs oder Teilen daraus vorbehalten. Kein Teil des Werks darf ohne schriftliche Genehmigung des Her- ausgebers in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – mit Ausnahme der in den §§53, 54 URG aufgeführten Sonderfälle – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.